Lehrpersonen schreiben Geschichte
Neu im Staatsarchiv - Archiv des Kantonalen Lehrerinnen- und Lehrerverbands St.Gallen (KLV)
Das Archiv des Kantonalen Lehrerinnen- und Lehrerverbands St.Gallen (KLV) bietet einen faszinierenden Einblick in die bildungspolitischen Diskussionen und gesellschaftlichen Entwicklungen des 20. Jahrhunderts. Die Unterlagen zeigen eindrücklich, wie sich der Verband als Interessenvertreter der st.gallischen Lehrerschaft aktiv in gesellschaftliche Debatten einbrachte und innovative Ansätze entwickelte, um auf bildungspolitische Herausforderungen zu reagieren.
Die folgenden zwei Ausschnitte verdeutlichen exemplarisch das berufspolitische Engagement und gewähren Einblicke in Diskussionen, die teilweise bis heute relevant sind.
Gegen «Schund und Schmutz»: Der Kampf um das gute Jugendbuch
In den 1960er Jahren beschäftigte die Qualität der Jugendliteratur nicht nur besorgte Eltern, sondern auch die Lehrerschaft des Kantons St.Gallen. Mit seiner Aktion «Das gute Buch» brachte sich der Kantonale Lehrerinnen- und Lehrerverband aktiv in die Bekämpfung der sogenannten «Schund- und Schmutzliteratur» ein.
Wie aus einem Schreiben an Landammann Mathias Eggenberger vom 6. Dezember 1961 hervorgeht, entwickelte der Vereinsvorstand zu diesem Zweck eine eigene Strategie. Geplant war zunächst die sofortige Bestellung von 2'000 Katalogen des Schweizerischen Lehrervereins, die alle st.gallischen Lehrkräfte erhalten sollten. Diese überkonfessionell gestalteten Kataloge mit empfohlenen Jugendbüchern galten als «die besten Ratgeber für Lehrer und Eltern» und sollten «einer nicht unberechtigten Ratlosigkeit weiter Kreise» Abhilfe schaffen.
Darüber hinaus plante der Verein flächendeckende kantonale Ausstellungsreihen: In jedem st.gallischen Bezirk sollte eine grosse Buchausstellung nach den Kriterien des erwähnten Katalogs organisiert werden. Verbunden mit Elternabenden sollten diese Veranstaltungen «von autorisierter Seite über die Frage des guten Buches und den Kampf gegen Schund und Schmutz» informieren.
Der Erfolg liess offenbar nicht lange auf sich warten. In einem Schreiben vom 9. Dezember 1966 an den Regierungsrat konstatierte der Lehrerverein optimistisch: «Die Saat beginnt zu spriessen.» Gleichzeitig geht aus dem Dokument hervor, dass dem Verein die Kapazitäten fehlten, um diese aufwändigen Veranstaltungen weiterzuführen und zu intensivieren. So wollte man die Verantwortung künftig an die kantonale Kommission für Schulbibliotheken abgeben.
Die Episode zeigt eindrücklich, wie sich der Verein aktiv in kulturpolitische Debatten einbrachte und eine innovative Kampagne entwickelte, um der Ausbreitung der Schund- und Schmutzliteratur entgegenzuwirken.
Argumente für und gegen die Einführung der Fünftagewoche
Was heute selbstverständlich erscheint, war Ende der 1980er Jahre noch umstritten: die Fünftagewoche an den Volksschulen. Der Kantonale Lehrerinnen- und Lehrerverein St.Gallen setzte sich intensiv mit dieser Frage auseinander und dokumentierte die verschiedenen Standpunkte in einem Bericht (März 1987). Das Dokument enthält nicht nur eine Zusammenfassung der damaligen Situation in anderen Ländern und Kantonen, sondern auch eine Aufstellung der Argumente für und gegen die Schulreform.
Offensichtlich trafen innerhalb der Arbeitsgruppe gegensätzliche Meinungen aufeinander: Sie wollte weder eine Gewichtung der Argumente vornehmen noch sich selbst geschlossen auf einer Seite positionieren. Stattdessen formulierte sie einen pragmatischen Vorschlag: «Der KLV sollte beim Erziehungsdepartement den Antrag zur versuchsweisen Einführung der Fünftagewoche an st.gallischen Volksschulen stellen. Der Erziehungsrat soll eine Kommission bilden, welche die Grundlage für eine optimale Versuchsphase erarbeitet.»
Aus heutiger Sicht wirken die damaligen Befürchtungen teilweise überholt. Doch die Spannungsfelder zwischen familiären Bedürfnissen, beruflichen Anforderungen und schulischen Strukturen sind auch heute noch aktuell.
Manuel Quinter, Eberle AG, September 2025