Lehrerseminar Mariaberg Rorschach (1864-2005)
Titel
Lehrerseminar Mariaberg Rorschach (1864-2005)
Stufe
Fonds
Entstehungszeitraum
1870 (ca.)-2007
Existenzzeitraum
1864-2005.07.31
Verwandte Körperschaften, Familien, Personen
Nachfolgeorganisation ab 1.8.2005: Pädagogische Hochschule Rorschach (PHR)
Geographische Angaben (Adresse)
Seminarstrasse 27, 9400 Rorschach
Rechtsform
Verwaltungseinheit
Rechtsgrundlagen
Wichtigste Rechtsgrundlagen (Stand 2005/Auswahl):
- Mittelschulgesetz vom 12. Juni 1980 (sGS 215.1)
- Mittelschulverordnung vom 17. März 1982 (sGS 215.11)
- Ergänzende Verordnung über das Dienstverhältnis der Mittelschul-Lehrkräfte vom 15. Juni 2004 (sGS 143.4)
- Aufnahmereglement vom 22. September 1976 (sGS 215.532.1)
- Promotionsreglement vom 4. Februar 1976
- Diplomprüfungsreglement vom 4. Juli 1983
(Amts-)Leitung
Rektor: Markus Urech (bis 2005)
Behördengeschichte
1864 Gründung
1956 Einführung Sonderkurs (besonderer Ausbildungsgang für Maturanden)
1963-75 Eröffnung Landseminare (separate Seminarabteilungen an den Kantonsschulen Sargans 1963, Wattwil 1970, Heerbrugg 1975)
1972 Einführung Umschulungskurs für Berufsleute
1978 Aufhebung Konvikt (Internat); Abschluss der neunjährigen Gebäuderenovationsarbeiten am Altbau
2005 Auflösung des Seminars per 31.7.2005
Nachdem die Lehrerbildung im Kanton St.Gallen seit 1816 konfessionell getrennt organisiert gewesen war, bestand ab 1856 an der paritätischen Kantonsschule St.Gallen das sogenannte Vertragsseminar, das dann aber bereits 1864 durch das neu gegründete Lehrerseminar Mariaberg in Rorschach abgelöst wurde. Rechtliche Basis dazu bildeten: 1. Art. 7 der Kantonsverfassung von 1861, 2. das vom Grossen Rat am 4.2.1864 verabschiedete Gesetz über Errichtung eines Lehrerseminars und einer Kantonsschule und 3. der Erlass der ersten Seminarordnung vom 17.11.1864 durch den Erziehungsrat.
Die Seminarordnungen von 1902, 1955 und das Mittelschulgesetz mit der Mittelschulverordnung von 1980/81 und mit den Erziehungsratsbeschlüssen von 1982 regelten die rechtliche Weiterentwicklung des Seminars. Parallel dazu stiegen die Schülerzahlen bis in die 1980er-Jahre fast ununterbrochen an, ein Umstand, zu welchem seit 1956 auch der Sonderkurs für Maturanden (Lehramtskurs) und seit 1972 der Umschulungskurs für Berufsleute beitrugen. Bemühungen um verbesserte und jeweils zeitgemässe Lehrerbildung schlugen sich in diversen Ausbildungsreformen und in der Verlängerung der Ausbildungsdauer nieder, ab 1904 auf 4 Jahre, ab 1973 auf 5 Jahre, ab 1982 mit ausserschulischem Zwischenjahr auf 6 Jahre. Der Abschluss der neunjährigen Renovationen am Altbau und die Schliessung des Konvikts durch Beschluss des Regierungsrates (beides 1978) markierten wichtige Veränderungen im Selbstverständnis des Zusammenlebens und in der Repräsentation nach aussen. Die Aufhebung des Lehrerinnen- und Lehrerseminars Mariaberg - wie die offizielle Bezeichnung seit 1991 lautet - erfolgte vor dem Hintergrund der grundlegenden Neukonzipierung der Lehrerbildung im Kanton St.Gallen: de jure im Jahre 1999 mit der Annahme des Gesetzes über die pädagogischen Hochschulen durch den Grossen Rat, de facto Ende des Sommersemesters 2005 mit dem Ausbildungsabschluss des letzten Lehrganges.
Tätigkeitsbereich (Behördenkompetenzen)
Der Hauptauftrag des Seminars lautete (Stand 2005): "Das Lehrerseminar bereitet auf den Primarlehrerberuf im Kanton St.Gallen vor. Die Ausbildung (...) führt zur Diplomprüfung." (Mittelschulgesetz Art. 13). Der ordentliche Ausbildungsgang schloss entweder an die dritte Sekundarschulklasse an und umfasste fünf Jahreskurse oder aber schloss in einem gesonderten Ausbildungsgang von zwei Jahreskursen ("Lehramtskurse") an die Maturität an.
In administrativen Belangen (z.B. Budget, Bauplanung, Informatik) war das Seminar zuletzt dem Amt für Mittelschulen im Erziehungsdepartement angegliedert, in grundlegenden pädagogischen und personellen Fragen dagegen (z.B. Genehmigung von Lehrplänen und Jahresberichten, Aufsicht über Unterricht sowie Aufnahme- und Diplomprüfungen, Behandlung von Rekursen, Wahlgeschäfte inkl. Einstellung von Hauptlehrkräften) dem Erziehungsrat (ER) unterstellt. Dieser wurde in seinen Aufgaben unterstützt und entlastet durch eine von ihm gewählte Aufsichts-kommission, die zudem von einem Mitglied des ER präsidiert wurde und dem ein zweites Mitglied des ER angehörte.
Administrative Strukturen
In organisatorischer Hinsicht lässt sich seminarintern seit der Gründung eine Dreiteilung in Schulleitung, Konvent und Aufsichtsbehörde feststellen. Bemerkenswert ist die spät einsetzende allmähliche Entlastung des Direktors von untergeordneten Aufgaben, 1931 von der Konviktleitung, ab 1961 durch einen stellvertretenden Schulleiter. Der Lehrerkonvent konnte bis 1955 nur Gutachten und Anträge an den Erziehungsrat stellen, danach lagen Aufnahmen, Ausschluss und Disziplinarverfahren in seiner eigenen Kompetenz, eingeschränkt allerdings durch das Rekursrecht beim Erziehungsrat. Die heutige Organisation des Seminars geht aus dem Organigramm in der Beilage zur Behördenanalyse hervor: Die Leitung des Seminars obliegt dem Rektor, dem schulintern folgende Organe und Personen unterstellt sind: Sekretariat; Verwaltung; Prorektorat(e); Leitung der berufspraktischen Ausbildung (Vikariate); Lehrerkonvent; Klassenlehrpersonen.
Parallelüberlieferungen
Protokolle, Akten:
- Erziehungsrat (ER): Die in den Kompetenzbereich des ER fallenden Aufgaben rund um das Seminar (Genehmigung von Amts- und Jahresberichten, Lehrplänen, Prüfungswesen) sind auch in den Protokollen und Akten des ER abgebildet, welche im StASG traditionellerweise integral aufbewahrt werden. Sie liegen dort allerdings nicht in kompakter, sondern in zeitlich sehr disparater Form vor.
- ED: Analoges zum ER gilt - inkl. die zuletzt gemachte Einschränkung! - für die wichtigsten Unterlagen administrativer Art, die auch im ED (Amt für Mittelschulen) vorliegen, die finanziellen Eckdaten zum Seminar (Budget/Jahresrechnung) zusätzlich in der zentralen Staatsbuchhaltung, dort allerdings nur in summarischer Form.
- Fachkonferenzen: Die wichtigsten Unterlagen (Protokolle) zu kantonalen Fachkonferenzen (Kant. Rektorenkonferenz KRK bzw. Seminarleiterkonferenz SLK) dürften auch via ED und/oder ER gesichert sein; weniger klar (aber in diesem Zusammenhang auch wenig bedeutend) ist die Überlieferungslage bei der Schweiz. Konferenz der Direktoren von Lehrerbildungsanstalten.
Amtsdruckschriften:
- Jahresberichte: Seit 1956 in gedruckter Form, enthaltend die wichtigsten Fakten und Zahlen pro Schuljahr (u.a. Jahreschronik, SchülerInnenstatistik, Verzeichnis der Lehrkräfte. (vgl. StASG ZA 031)
- Amtsbericht der Regierung: Jährliche statistische Angaben zu den SchülerInnen, zu Aufnahme- und Abschlussprüfungen (StASG ZA 003)
- Schüler-/Lehrerverzeichnis: in der Amtsdruckschriftensammlung des StASG bisher nur für einen einzelnen Jahrgang (1984) vorliegend (StASG ZA 200); für die Jg. 1862-1962 siehe jedoch KA R.130 B 11.19.
Statistiken:
- SchülerInnenstatistik: siehe Jahresberichte
Literatur:
- Giuseppe Clivio: Geschichte der Lehrerbildung im Kanton St.Gallen: Kantonales Lehrerseminar Mariaberg, Rorschach 1977 (KVB H 677)
- Mariaberg Rorschach (Festschrift), Rorschach 1978 (KVB F 383)
- Bildung auf Mariaberg, Rorschach 2003 (KVB F 3008)
- 100 Jahre Lehrerseminar Mariaberg Rorschach: Lehrerbildung im Kanton St.Gallen, 1964 (StASG ZA 352)
Intranet/Internet:
Die Homepage www.mariaberg.ch enthält einige kurze Rückblicke auf die Geschichte von Mariaberg als Gebäude wie auch als Bildungsstätte, legt daneben aber das Schwergewicht auf die Vermittlung aktuell gültiger Informationen zu Ausbildungsgängen, Personal, Veranstaltungen usw.
Bewertung der organisatorischen Gesamtfunktion
Rein hierarchisch gesehen nimmt das Lehrerseminar innerhalb des Erziehungswesens eine untergeordnete Position ein. Die wesentlichen Leitplanken für seine Tätigkeit werden durch die vorgesetzten Stellen (ER/ED) gesetzt. Aufgabe des Seminars war es im Wesentlichen, diese Vorgaben in die Praxis umzusetzen, vor allem im Bereich des Prüfungs- und Promotionswesens. Dabei ist jedoch davon auszugehen, dass das Seminar gerade durch seine Stellung als gleichzeitige "Dienerin zweier Herren", aber auch durch seine lange, traditionsreiche Geschichte sowie durch den Standort abseits der Zentralverwaltung immer eine gewisse Unabhängigkeit bewahren konnte. Vor allem aber ist zu beachten, dass dem Seminar als zentrale Ausbildungsstätte für die Volksschullehrkräfte des Kantons von seiner Funktion und ihren Auswirkungen her eine eigentliche Schlüsselstellung innerhalb des kantonalen Erziehungswesens und - indirekt - innerhalb der Gesellschaft insgesamt zukommt.
Historische Kriterien
Geht man davon aus, dass die heranwachsenden Generationen einer Gesellschaft durch die Schule, zumal die Volksschule, und durch die darin vermittelten Inhalte und Werte eine (wenn auch nicht die einzige!) entscheidende Prägung erfahren, so kommt der Kenntnis der Organisation und Konzeption der Lehrerbildung indirekt eine zentrale Bedeutung für das Verständnis von sozialen Verhältnissen und Entwicklungen zu. Von besonderem Interesse sind diesbezüglich Lehr- und Stundenpläne, Schulordnungen und Reglemente, Jahres- und Amtsberichte, Protokolle, u.a. Dieses Bedürfnis gilt unabhängig davon, dass die Geschichte der kantonalen Lehrerbildung im Allgemeinen und auf Mariaberg im Speziellen bereits verschiedentlich, zuletzt im Jahr 2003, historisch aufgearbeitet worden ist (vgl. oben: Parallelüberlieferungen).
Aufgrund der kunsthistorischen und denkmalpflegerischen Bedeutung des Schulgebäudes (ehemaliges Kloster) ist zudem ein spezielles Augenmerk zu richten auf sämtliche Unterlagen, welche Aufschluss geben über die Bausubstanz und ihre historische Entwicklung.
Rechtliche Kriterien
a) Bereits heute kommt es gemäss Aussagen der Seminarleitung regelmässig vor, dass ehemalige AbsolventInnen später nach Diplombestätigungen verlangen. Mit der heute immer üblicheren Zunahme von Brüchen im Erwerbsleben (infolge Stellen- oder Berufswechsel, Wie-dereinstieg ins Erwerbsleben nach mutterschaftsbedingtem Unterbruch bei Frauen u.a.) und der damit einhergehenden wachsenden Bedeutung des Nachweises früherer Ausbildungen wird dieses Bedürfnis in Zukunft eher noch zunehmen. Was die Rechtslage anbelangt, so vertrat der Rechtsdienst des ED in einem analogen Fall (Schule für Pflegeassistenz am Kantonspital St.Gallen) die Auffassung, dass - obschon dies rechtlich nirgends explizit geregelt sei! - im Zusammenhang mit kantonalen Schulen generell davon auszugehen sei, dass "die Beweislast, ob einer Person im konkreten Fall ein Diplom ausgestellt wurde, (...) sofern der Bezug zu einer öffentlich-rechtlichen Anstalt erstellt ist, die fragliche Ausbildungsstätte tragen" dürfte. Dies gelte jedenfalls solange, als die Person hinsichtlich ihrem wirtschaftlichen Fortkommen Rechte geltend machen kann. Es empfehle sich deshalb aus rechtlicher Sicht, Abschlussdiplome und Schulzeugnisse wenigstens solange zu archivieren, als die Erwerbstätigkeit bzw. -fähigkeit der betreffenden Person andauert.
b) In rechtlicher Hinsicht ist ausserdem auf die übliche 10-jährige Aufbewahrungspflicht für Geschäftsbücher/ rechnungsrelevante Unterlagen gemäss OR zu verweisen.
c) Nicht aus rechtlicher, aber aus praktischer Sicht und im Sinne der Wahrung der Interessen ehemaliger SeminaristInnen dürfte das vorliegende Unterlagenangebot ferner von einem gewissen Interesse sein im Hinblick auf den Wunsch nach Klassen- und Adresslisten, evtl. Foto- und Dokumentationsmaterial für Klassenzusammenkünfte und Diplomjubiläen.
d) Ebenso besteht seitens der Schulbehörden bezüglich der Lehrerdossiers ein praktisches Bedürfnis nach Aufbewahrung im Hinblick auf die Abfassung von Reden und Schriften anlässlich von Ehrungen, Pensionierungen, Todesfällen usw.
Vereinbarung
Da es sich beim Lehrerseminar Rorschach um eine zum Zeitpunkt des Bewertungs- und Ablieferungsverfahrens kurz vor der Auflösung stehende Dienststelle handelte, erübrigte sich der Abschluss einer an dieser Stelle üblichen, auf künftige Unterlagenangebote zielenden Vereinbarung. Stattdessen sind im Folgenden die anlässlich der letzten Ablieferung vom Jahr 2005 mit dem Seminar vereinbarten Bewertungsentscheide festgehalten:
Dauernde Aufbewahrung (Ablieferung ans Staatsarchiv):
- Ausgewählte Unterlagentypen von historischer Relevanz, namentlich: Schulordnungen, Reglemente; Lehr- und Stundenpläne; Jahres- und Amtsberichte; Protokolle von Aufsichtskommission, Schulleitung, Lehrerkonvent; Bauverträge, -pläne, -akten; sämtliche Unterlagen älter als 1931.
- Unterlagen mit dokumentarischem Wert für ehemalige SchülerInnen: SchülerInnenverzeichnisse; audiovisuelle Unterlagen (Fotos, Dias, Filme, Videos u.a.) zu einzelnen Klassen, Schulereignissen.
- Amtsdruckschriften: nach Bedarf von Staatsarchiv/Kantonsbibliothek (Auffüllen von Lücken bei bestehenden Serien).
Befristete Aufbewahrung (durch die Pädagogische Hochschule Rorschach; diese fungiert in diesem Bereich als Rechtsnachfolgerin des Lehrerseminars und sorgt für die temporäre Aufbewahrung bis zum Ablauf der nachfolgend genannten Aufbewahrungsfristen:
- Notenlisten: Aufbewahrung bis 50 Jahre nach Diplomierungsdatum, im Hinblick auf die Erbringung von Nachweisen von am Seminar absolvierten Ausbildungen, anschliessend Kassation (unter Wahrung der Vertraulichkeit).
- SchülerInnen-Adresslisten: Aufbewahrung nach eigener Einschätzung, anschliessend Kassation (unter Wahrung der Vertraulichkeit).
- Lehrerdossiers/Lehraufträge (Personalakten der Lehrkräfte): Aufbewahrung bis 100 Jahre nach Geburtsdatum
- Rechnungsrelevante Unterlagen im Sinne von OR Art. 957-963 (SR 220) und der Eidg. Geschäftsbücherverordnung GeBüV (SR 221.431): Aufbewahrungsfrist von 10 Jahren, anschliessend Kassation
Kassation (Vernichtung durch die Dienststelle)
- Schülerdossiers (Begründung: Vor ca. 1975 und seit ca. 2002 wurden die Noten in den SchülerInnendossiers bzw. den darin inliegenden Karteikarten nicht eingetragen; deshalb stellen sie - im Unterschied zu den Notenlisten - keine hinreichende Grundlage für spätere Nachweise von Ausbildungen dar)
- Zeugnisnoten (Begründung: fehlende rechtliche und historische Relevanz)
-Unterlagen aus schweizerischen und kantonalen Fachkonferenzen, z.B. der Kant. Rektorenkonferenz KRK, Seminarleiterkonferenz SLK, Schweiz. Konferenz der Direktoren von Leh-rerbildungsanstalten (Begründung: geringer Überlieferungswert im Kontext des Seminars, teilweise Parallelüberlieferung via ED)
Anmerkung
Unterlagen zum Lehrerseminar: siehe in den Abteilungen Kantonsarchiv und Neues Archiv I (vgl. Registerkarte Verweise)
Schutzfrist
Zeitraumende
Schutzfristdauer
30 Jahre
Schutzfristkategorie
Sachakten (30 Jahre)
Ende der Schutzfrist
12/31/2037
Bewilligung
Staatsarchiv
Zugänglichkeit
Archivmitarbeiter/-innen
Physische Benutzbarkeit
Uneingeschränkt