Kinderheim Andwiler, Thal
Titel
Kinderheim Andwiler, Thal
Stufe
Fonds
Entstehungszeitraum
1943-1991
Existenzzeitraum
1947-1980
Geographische Angaben (Adresse)
Zum Andwiler
Künggasse 1237
9425 Thal SG
Rechtsform
Stiftung
Rechtsgrundlagen
Das Kinderheim Andwiler war eine von einer privaten Stiftung getragene Institution. Es kamen deshalb folgende Gesetzesbestimmungen zur Anwendung:
-Schweizerisches Zivilgesetzbuch (ZGB), Art. 80-89 (gemäss ZGB-Fassung im Existenzzeitraum des Heims)
-Kantonale Verordnung über die Pflegekinder und die Kinderheime vom 28. November 1955 (Bereinigte Gesetzessammlung, Bd.5, S. 131 ff)
-Eidgenössische Verordnung über die Aufnahme von Pflegekindern vom 19. Oktober 1977 (Pflegekinderverordnung, PAVO, SR 211.222.338)
-Kantonale Pflegekinderverordnung vom 28. Februar 1978 (Gesetzessammlung, Neue Reihe, Bd 13 (1978), nGS 13-8)
(Amts-)Leitung
Heimeltern:
Arnold und Anny Kellenberger-Gantenbein, 1947-1974
Willy und Ruth von Känel-Nägeli, 1974-1980
Behördengeschichte
Am 24. Februar 1947 ging die Liegenschaft "Zum Andwiler" in Thal durch Versteigerung an die Textilfirma Baerlocher & Co., Rheineck, über. Im Oktober desselben Jahres wurde im Haus "Zum Andwiler" ein Kinderheim eröffnet. Alfred Baerlocher, Inhaber der Firma Baerlocher, veranlasste die Gründung des Kinderheims aus Dankbarkeit für seine Errettung aus einer Lawine. Am 29. August 1950 (siehe Regierungsratsbeschluss vom 30. September 1950) wurde die Stiftung "Kinderheim Andwiler in Thal" errichtet. Das Gründungskapital für die als Trägerschaft des Heims dienende Stiftung wurde von der Firma Baerlocher & Co, Rheineck, gestiftet.
Das Heim war als sogenanntes "Familienkinderheim" konzipiert, das durch ein Heimeltern-Ehepaar geführt wurde und zwischen 15 und 20 Kinder evangelischer Konfession aufnehmen konnte. Die Heimeltern betreuten neben den Heimkindern auch ihre eigenen Kinder. Der jeweilige Heimvater war nicht vollamtlich als Heimleiter tätig, da er einer Teilzeit-Arbeit ausserhalb des Heims nachging. Die Kinder kamen meistens aus schwierigen familiären Verhältnissen, fielen durch ihr von der Norm abweichendes Verhalten und oft schwache schulische Leistungen auf. Die in solchen Fällen eingeschalteten zuständigen Behörden
(Jugendämter, Vormundschaftsbehörden u.a.) oder die Eltern selbst platzierten die Kinder im Heim, um diese in einem ihrer Meinung nach für die Entwicklung der Kinder förderlichen Umfeld aufwachsen zu lassen. In einigen Fällen waren die Kinder bereits fremdplatziert und wurden in den „Andwiler“ weitergeschickt. Die Eltern oder Versorger der Kinder bezahlten ein Kostgeld zur Finanzierung des Heimaufenthalts. Diese Beiträge deckten aber nur einen Teil der Betriebskosten. Das jeweilige Defizit wurde durch das Stiftungskapital oder Spenden der Firma Baerlocher gedeckt. Die Kinder des "Andwiler" besuchten die Primarschule in Thal und die Sekundar- oder Realschule in Rheineck. Eine kleinere Anzahl Kinder aus Flüchtlingsfamilien, die in Deutschland und Österreich wohnten, verbrachten einen Erholungsurlaub im Kinderheim. Die Kosten dieses Aufenthalts wurden durch das Hilfswerk der evangelischen Kirchen der Schweiz (HEKS) übernommen.
1974 gingen die Heimeltern Arnold und Anny Kellenberger-Gantenbein in Pension. Ihre Nachfolger, Willy und Ruth von Känel-Nägeli, führten das Heim bis April 1980. Da dem Heim immer weniger Kinder (u.a. wegen des veränderten Umgangs mit Kindern mit belastetem familiären Hintergrund) zugeteilt wurden und eine zeitgemässe Anpassung der Heiminfrastruktur und Heimführung nicht möglich schienen, beschloss der Stiftungsrat, das Kinderheim zu schliessen. Die Liegenschaft wurde der katholischen und evangelischen Kirchgemeinde Thal vermietet, welche sie einer Familie vietnamesischer Flüchtlinge zur Verfügung stellten. Die Stiftung wurde in Berücksichtigung der in der Stiftungsurkunde im Fall einer Auflösung des Heims vorgesehenen weiteren Verwendung der Stiftungsgelder (Unterstützung von ehemaligen Heimkindern oder der Heimeltern bei Bedürftigkeit, 10 Jahre nach der Auflösung des Kinderheims Einsatz des verbleibenden Stiftungsvermögens für gemeinnützige Zwecke ) noch bis 1990 weitergeführt und 1991 aufgelöst. Damit ein Teil der Stiftungsgelder bereits vor Ablauf der 10-Jahres-Frist für gemeinnützige Zwecke verwendet werden konnte, war im Januar 1983 ein Nachtrag zur Stiftungsurkunde beschlossen worden.
Tätigkeitsbereich (Behördenkompetenzen)
Betreuung und Erziehung von evangelischen Buben und Mädchen im Alter von etwa 4 bis 16 Jahren aus "gefährdeten Familienverhältnissen" (laut Jubiläumsbroschüre "15 Jahre Kinderheim zum Andwiler Thal SG", 1962). Ziel war es, nur normal begabte Kinder aufzunehmen.
Administrative Strukturen
Organe der Stiftung waren der Stiftungsrat und die Kontrollstelle. Der Stiftungsrat war für die Verwaltung der Stiftung zuständig und hatte die Oberaufsicht über das Kinderheim. Der Stiftungsrat bestand aus 2 bis 3 Mitgliedern. Er legte in Absprache mit den Heimeltern die Höhe des Kostgelds fest und stellte das Heimeltern-Ehepaar an. Die Heimeltern waren neben der Erziehungsarbeit auch für den Unterhalt der Liegenschaft und die Führung des Haushalts zuständig.
Parallelüberlieferungen
Im Staatsarchiv St.Gallen sind folgende Unterlagen vorhanden, die sich auf das Kinderheim Andwiler beziehen:
Kantonale Verwaltung:
Erziehungsdepartement, Sekretariat:
Schulgemeinde Thal-Staad: Schulgeld für Schüler aus dem Kinderheim Andwiler Thal (Dossier A 071/06.38.02)
Departement des Innern, Amt für berufliche Vorsorge und Stiftungsaufsicht:
Kinderheim Andwiler, Rheineck (Dossier A 138/46). Hier sind u.a. Jahresrechnungen der Stiftung vorhanden.
Justiz- und Polizeidepartement, Handelsregisteramt, Dossiers der gelöschten Firmen (Dossier A 222/9.308)
Departement des Innern, Amt für Soziales, Heimaufsicht: Einzelne Heime oder stationäre Einrichtungen betr.:
Kinderheim zum Andwiler (Dossier A 346/3.2.2-14). Hier sind u.a. Berichte von zwei ehemaligen Heimkindern über ihre Zeit im Kinderheim abgelegt. Diese Berichte wurden dem Staatsarchiv nachträglich separat zugeschickt.
Informationen zur Firma Baerlocher & Co. finden sich im Familien- und Firmenarchiv Baerlocher, Rheineck (Privatarchiv W 297).
Bewertung der organisatorischen Gesamtfunktion
Siehe Eintrag auf Ebene Fonds "Kinder- und Jugendheime".
Historische Kriterien
Siehe Eintrag auf Ebene Fonds "Kinder- und Jugendheime".
Rechtliche Kriterien
Siehe Eintrag auf Ebene Fonds "Kinder- und Jugendheime".
Vereinbarung
Vereinbarung zwischen dem Staatsarchiv St.Gallen und der Familie Baerlocher vom Mai 2015 in Bezug auf die Schenkung des Familien- und Firmenarchivs Baerlocher, Rheineck
Anmerkung
Sekundärliteratur: Zum Kinderheim Andwiler ist keine Sekundärliteratur zu finden.
Schutzfrist
Zeitraumende
Schutzfristdauer
30 Jahre
Schutzfristkategorie
Sachakten (30 Jahre)
Ende der Schutzfrist
12/31/2021
Bewilligung
Staatsarchiv
Zugänglichkeit
Archivmitarbeiter/-innen
Physische Benutzbarkeit
Uneingeschränkt