Stiftung Kinder- und Jugendpsychiatrische Dienste St.Gallen
Titel
Stiftung Kinder- und Jugendpsychiatrische Dienste St.Gallen
Stufe
Fonds
Existenzzeitraum
1966-
Synonyme
Ostschweizerischer Kinderpsychiatrischer Dienst, Ostschweizerischer Kinder- und Jugendpsychiatrischer Dienst
Abkürzungen
KJPD
Geographische Angaben (Adresse)
Brühlgasse 35/37, 9004 St.Gallen
Rechtsform
Stiftung
Rechtsgrundlagen
Die KJPD werden von der Stiftung Kinder- und Jugendpsychiatrische Dienste St.Gallen getragen und erfüllen für die Region Ostschweiz öffentliche Aufgaben im Bereich der Kinder- und Jugendpsychiatrie. Basis ihrer Tätigkeit stellen die Stiftungsurkunde sowie die Leistungsvereinbarungen mit den Kantonen dar:
- Stiftungsurkunde der Stiftung Kinder- und Jugendpsychiatrische Dienste St.Gallen vom 30. Oktober 1996
- Leistungsvereinbarung mit dem Kanton St.Gallen vom 1. Januar 2000 (sowie Leistungsvereinbarungen mit den Kantonen Appenzell Ausserrhoden und Appenzell Innerrhoden)
- Verfügung des Gesundheitsdepartements des Kantons St.Gallen über die Betriebsbewilligung vom 19. Dezember 2001; Verlängerung der Betriebsbewilligung vom 8. November 2006
Hinzu kommen Rechtsgrundlagen für das Erstellen von Gutachten:
- Schweizerische Strafprozessordnung (StPO) vom 5. Oktober 2007 (SR 312), Art. 154
- Schweizerisches Zivilgesetzbuch (ZGB) vom 10. Dezember 1907 (SR 210), Art. 133, Art. 273 und 274, Art. 310
- Bundesgesetz über das Jugendstrafrecht (Jugendstrafgesetz, JStG) vom 20. Juni 2003
- Bundesgesetz über die Invalidenversicherung (IVG) vom 19. Juni 1959
- Bundesgesetz über die Unfallversicherung (UVG) vom 20. März 1981
- Bundesgesetz über die Militärversicherung (MVG) vom 19. Juni 1992
(Amts-)Leitung
1966-1987: Städeli, Hermann, Dr. med.
1987-1988: Co-Leitung Städli, Hermann, Dr. med. und Zollinger, Ruedi, Dr. med.
1988-2012: Zollinger, Ruedi, Dr. med.
Seit 2012: Erb, Suzanne
Behördengeschichte
Der Ostschweizerische Kinderpsychiatrische Dienst wurde am 1. April 1966 vom Verein für Säuglings- und Kinderfürsorge gegründet, der u.a. Träger des Kinderspitals war und sich im Bereich der Mütterberatung und Mütterschulung engagierte. Der Dienst wurde "zur Untersuchung und Behandlung schwer-verhaltensgestörter, seelisch kranker Kinder und Jugendlicher, vor allem solcher, die an einer Neurose oder hirnorganischen Störung leiden" eröffnet. Der Kinderpsychiatrische Dienst war dem Vereinsvorstand und einer Betriebskommission administrativ unterstellt. Die ärztliche Leitung lag beim Chefarzt Hermann Städeli. Anfänglich war der Kinderpsychiatrische Dienst im ehemaligen Säuglingsheim untergebracht, im September 1966 konnte er in das sogenannte Beda-Haus einziehen. Im Jahr 1968 kam das Haus "Auf Wiesen" für die stationäre Behandlung dazu, das heute (Stand 2012) als halbstationäre Tagesklinik geführt wird. 1972 eröffnete der Kinderpsychiatrische Dienst in der Stadt St.Gallen an der Brühlgasse die erste dezentralisierte Beratungsstelle. Analoge Einrichtungen folgten in Wattwil (1973), Heerbrugg (1976), Vaduz (1977) , Sargans (1978) und Uznach (1982). Im Jahr 1987 übernahm Ruedi Zollinger zuerst zusammen mit Hermann Städeli die ärztliche Co-Leitung des Kinderpsychiatrischen Dienstes, nach dessen Rücktritt ging die Leitung an Ruedi Zollinger über. Am 1. Oktober 2012 übernahm Suzanne Erb die Leitung der Kinder- und Jugendpsychiatrischen Dienste St.Gallen (KJPD).
Die KJPD sind nicht Teil der Staatsverwaltung, erfüllen jedoch mit staatlichen Geldern öffentliche Aufgaben, u.a. für den Kanton St.Gallen. In die Betriebskommission und in den Vorstand des Trägervereins wurde daher ab 1970 eine Vertretung des Kantons entsendet. Diese wurde anfänglich vom Erziehungsdepartement (seit 2007 Bildungsdepartement) gestellt, seit den 1970er-Jahren vom Sanitätsdepartement (seit 1980 Gesundheitsdepartement). 1996 beschloss der Vorstand des Trägervereins, die KJPD rechtlich zu verselbständigen und gründete zu diesem Zweck eine Stiftung. Seit 2000 erfüllen die KJPD ihre Aufgaben auf der Basis eines Leistungsauftrags mit dem Kanton St.Gallen, im Stiftungsrat nimmt eine Vertretung des Gesundheitsdepartements Einsitz. Die KJPD sind gemäss separater Leistungsvereinbarungen auch für die ambulante, in Ergänzung zu Privatpraxen erfolgende kinder- und jugendpsychiatrische Versorgung der Kantone Appenzell Innerrhoden und Ausserrhoden zuständig. Für die KJPD sind inzwischen gut 80 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter tätig (Stand 2009).
Tätigkeitsbereich (Behördenkompetenzen)
Aufgabe der KJPD ist es, in Ergänzung zur privatärztlichen Versorgung für die ambulante psychiatrische und psychotherapeutische Betreuung von Kindern und Jugendlichen bis 18 Jahre und deren Familien in den Kantonen St.Gallen, Appenzell Ausserrhoden und Appenzell Innerrhoden zu sorgen. Die stationäre psychiatrische Behandlung von Kindern und Jugendlichen fällt nicht den KJPD zu, sondern wird von der Stiftung Sonnenhof in Ganterschwil (KJPZ) übernommen.
Die KJPD führen ein Zentrales Ambulatorium mit einer Zweigstelle für Jugendliche in der Stadt St.Gallen. Das Ambulatorium ist Anlaufstelle bei emotionalen Störungen, Wahrnehmungs-, Verhaltens- und Entwicklungsstörungen, Angstzuständen, Pubertätskrisen, gesteigerter Aggressivität, Zwängen, Suizidalität, Essstörungen, Folgen von sexueller Gewalt etc. bei Kindern und Jugendlichen. Für Patientinnen und Patienten ausserhalb des Einzugsgebiets der Stadt St.Gallen stehen analoge ambulante Regionalstellen in Heerbrugg, Sargans, Uznach, Wattwil und Wil zur Verfügung. Des Weiteren führen die KJPD eine teilstationäre Tagesklinik "Haus auf Wiesen" in der Stadt St.Gallen und erbrachten für das Kinderspital St.Gallen auf der Basis zusätzlicher Verträge Leistungen im stationären Bereich, welche jedoch seit 2002 abgekoppelt von den KJPD erfolgen.
Die KJPD erstellen im Auftrag der Gerichte, IV-Stellen und Behörden Gutachten. Dabei handelt es sich einerseits um jugendstrafrechtliche Gutachten, andererseits um Gutachten im Rahmen des Zivil- und Versicherungsrechts (z.B. Gutachten zu Sorge- und Besuchsrechtsregelungen bei Trennungs- und Scheidungsverfahren). Die KJDP stellen für von der Staatsanwaltschaft durchgeführte Befragungen von Kindern und Jugendlichen, die Opfer einer Straftat wurden, Spezialisten zur Verfügung.
Die KJPD arbeiten eng mit verschiedenen Institutionen und Fachgremien zusammen, wirken bei der Aus- und Weiterbildung des beruflichen Nachwuchses sowie der Fortbildung interner und externer Fachleute mit und sind auf dem Gebiet der Forschung und Publikation aktiv.
Administrative Strukturen
Die Gesamtverantwortung für die KJPD nimmt ein 6-köpfiger Stiftungsrat war, in welchem der Kanton St.Gallen mit einem Sitz beteiligt ist. Den KJPD steht eine Betriebsleitung vor (Chefärztin und Verwaltungsleiter).
Parallelüberlieferungen
Regierung des Kantons St.Gallen: Die zentralen Weichenstellungen der KJPD müssen der Regierung des Kantons St.Gallen vorgelegt werden. Zu den KJPD liegen daher verschiedene Regierungsbeschlüsse vor. Diese werden bei der Staatskanzlei aufbewahrt und dem Staatsarchiv für die dauerhafte Aufbewahrung übergeben.
GD-Dienst für Finanzen: Der Dienst für Finanzen vertritt die Interessen des Gesundheitsdepartements bzw. des Kantons in ausgewählten Institutionen des Gesundheitswesens. Bei diesen Institutionen handelt es sich in der Regel um privatrechtliche Stiftungen, die im Mandatsverhältnis und unter massgeblicher finanzieller Beteiligung des Kantons bestimmte Aufgaben im kantonalen Gesundheitswesen erfüllen. Diese Mandate basieren auf Leistungsaufträgen, die von der Regierung oder dem Departement abgesegnet werden. Zur Wahrnehmung seiner Interessen hat der Kanton jeweils Anrecht auf mindestens einen Vertreter im Stiftungsrat. Die Leistungsvereinbarungen und Verfügungen über die Betriebsbewilligung für die KJPD sind daher auch beim GD-Dienst für Finanzen zu finden.
Zusammenarbeit mit Institutionen: Die KJPD arbeiten mit diversen Institutionen und Gremien zusammen, z.B. mit dem Schulpsychologischen Dienst, mit Sonderschulheimen, der Klinik Sonnenhof in Ganterschwil, den sozialen Diensten der umliegenden Gemeinden und den Gerichten. Hinzu kommen zahlende Stellen wie die Invalidenversicherung oder Krankenkassen. Schliesslich erstellen die KJPD verschiedene Gutachten für Gerichte, Behörden und IV-Stellen und führen für die Staatsanwaltschaft Befragungen durch. Es ist davon auszugehen, dass die entstehenden Unterlagen auch bei den jeweiligen Einrichtungen zu finden sind (z.B. Gutachten, Berichte).
Internet: www.kjpd-sg.ch.
Bewertung der organisatorischen Gesamtfunktion
Die KJPD erfüllen öffentliche Aufgaben für die Vertragskantone, welche über weite Strecken für die Finanzierung der Stiftung besorgt sind. Es besteht daher bezüglich ihrer Unterlagen eine Anbietepflicht gegenüber den zuständigen Staatsarchiven. In Absprache mit den Staatsarchiven der beiden appenzellischen Halbkantone übernimmt das Staatsarchiv St.Gallen diese Rolle für die gesamte Unterlagenproduktion der Stiftung.
Die KJPD gewährleisten in Ergänzung zu Privatpraxen die ambulante kinder- und jugend-psychiatrische Versorgung von Kindern und Jugendlichen für die Vertragskantone und übernehmen damit eine wichtige Aufgabe in der Region. Im Gegensatz zu den Institutionen, welche für die psychiatrische Versorgung von Erwachsenen zuständig sind, sind die KJPD aber nicht Bestandteil der staatlichen Verwaltung im engeren Sinn. Insofern stehen sie nicht im Zentrum der Gesamttätigkeit des Kantons und nehmen deshalb auch im Rahmen der kantonalen Überlieferungsbildung – unabhängig von ihren wertvollen Leistungen für die Betroffenen – insgesamt nur eine Nebenrolle ein.
Historische Kriterien
Die Kinder- und Jugendpsychiatrie ist ein vergleichsweises junges medizinisches Feld – zumindest in der starken Ausdifferenzierung, die es in den letzten Jahrzehnten erfahren hat. Während die Geschichte der (Erwachsenen-)Psychiatrie in der Schweiz seit anfangs des 21. Jahrhunderts in verschiedenen Forschungsprojekten aufgearbeitet wurde und wird, ist jene der Kinder- und Jugendpsychiatrie bis anhin wenig ins Blickfeld der Geschichtswissenschaft gerückt. Die vereinzelten Beiträge zur Schweiz bewegen sich primär im Bereich der Institutionsgeschichte von kinder- und jugendpsychiatrischen Einrichtungen, geben aber teilweise eine gute Übersicht über die medizinhistorische Entwicklung der Kinder- und Jugendpsychiatrie. Umfangreichere Überblickswerke, wie sie für Deutschland existieren, liegen für die Schweiz hingegen nicht vor.
Die Unterlagen der KJPD könnten in der Geschichtsforschung auf Interesse stossen. Im Hinblick auf die Entwicklung der KJPD als Ganzes sind die zentralen Unterlagen der Leitungsebene (rechtliche und organisatorische Grundlagen, Protokolle, Statistiken, Jahresberichte) von grösster Relevanz. Diese Unterlagentypen geben Einblick in die Entwicklung der Funktionsweise und Organisationsstruktur der KJPD sowie die Veränderung der kinder- und jugendpsychiatrischen Ansätze und Diskurse.
Von Bedeutung für die historische Forschung sind auch Patientenakten. Patientenakten geben Aufschluss über das medizinische Handeln, die Rolle der beteiligten Akteurinnen und Akteure und ihr Verhältnis untereinander sowie die zugrundeliegenden Antriebskräfte und Werthaltungen. Gleichzeitig lassen sich die Patientenakten in einem gesamtgesellschaftlichen Kontext verorten (Welche Krankheitsbilder und Störungen sind in einem bestimmten Zeitraum aktuell? Welche kommen im Verlaufe der Zeit neu hinzu? Welche Normen bestehen in der Gesellschaft, wann ein Kind oder ein Jugendlicher eine psychiatrische Abklärung benötigt? Welche kollektiven Ängste und Hoffnungen lassen sich daraus ableiten?). Der Umstand, dass für den Raum St.Gallen und die beiden Appenzell keine vergleichbaren Akten aus dem kinder- und jugendpsychiatrischen Bereich vorliegen, erhöht dabei den Wert der Unterlagen der KJPD.
Rechtliche Kriterien
Patientenakten: Gemäss der vom Stiftungsrat genehmigten Patientenwegleitung vom 1. Oktober 2006 müssen Patientenakten während mindestens 10 Jahren aufbewahrt werden. Dies deckt sich mit der Verordnung über die medizinische und betriebliche Organisation der kantonalen Spitäler, psychiatrischen Kliniken und des Zentrums für Labormedizin (Spitalorganisationsverordnung, sGS 321.11, Art. 62). Bei den KJPD hat sich intern eine administrative Aufbewahrungsfrist der Patientenakten von 15 Jahren nach der letzten Bewegung im Dossier eingespielt.
Rechnungsunterlagen: 10 Jahre (Schweizerisches Obligationenrecht, SR 220, Art. 590, 730c und 747 sowie Art. 957 und 962, Eidgenössische Geschäftsbücherverordnung, SR 221, Art. 431).
Personaldossiers: 10 Jahre, berechnet ab Austritt aus dem Dienstverhältnis (kantonale Besoldungsverordnung, sGS 143.2, Art. 24).
Für Betroffene, welche Opfer einer Straftat wurden, geht es grundsätzlich darum, bei Bedarf auf die von den untersuchenden Stellen generierten Dossiers zurückgreifen zu können. Dieses Interesse kann unter Umständen auch mit erheblichem zeitlichem Abstand zur Straftat bzw. zur Beratung greifen. Die in diesem Zusammenhang von den KJPD erstellten Berichte sind jedoch auch bei der Staatsanwaltschaft vorhanden, weshalb eine Aufbewahrung über die 15-Jahres-Frist hinaus nicht notwendig ist.
Für die Nachvollziehbarkeit des Betriebs der KJPD und die psychiatrischen Massnahmen bedeutungsvoll sind v.a. die Protokolle des Stiftungsrats und der Betriebskommission sowie Jahresberichte.
Vereinbarung
Dauernde Aufbewahrung:
- Protokolle Stiftungsrat
- Protokolle Betriebskommission
- Jahresberichte (2 Exemplare pro Jahrgang für Amtsdruckschriftensammlung)
- Personaldossiers: Auswahl besonderer Fälle. Übrige Dossiers: Vernichtung (nach Ablauf von 10 Jahren nach Austritt)
- Patientenakten Zentrales Ambulatorium: Auswahl dauernd (Zufallsstichprobe). Übrige Dossiers: Vernichtung (nach Ablauf von 15 Jahren)
Angebotspflicht gegenüber Staatsarchiv:
- Referate und Fachartikel von Mitarbeitenden
Vernichtung:
- Rechnungsunterlagen, Buchhaltung (nach Ablauf von 10 Jahren)
- Gutachten (im Ermessen der Dienststelle)
- Berichte zu Handen der Staatsanwaltschaft (im Ermessen der Dienststelle)
Schutzfrist
Unbekannt
Schutzfristkategorie
Sachakten (30 Jahre)
Bewilligung
Staatsarchiv
Zugänglichkeit
Archivmitarbeiter/-innen
Physische Benutzbarkeit
Uneingeschränkt