Psychiatrische Dienste Sektor Nord (1892-2012)
Title
Psychiatrische Dienste Sektor Nord (1892-2012)
Stage
Fonds
Period of origin
1883-2020
Existenzzeitraum
1892-
Synonyme
Kantonales Asyl Wil (ab 1892)
Kantonale Heil- und Pflegeanstalt Wil (ab 1951)
Kantonale Psychiatrische Klinik Wil (ab 1967)
Kantonale Psychiatrische Dienste Sektor Nord (ab 1996)
Abkürzungen
KPD-SN
Verwandte Körperschaften, Familien, Personen
Psychiatrische Dienste Sektor Süd (Klinik St.Pirminsberg, Pfäfers)
Geographische Angaben (Adresse)
Zürcherstrasse 30, 9500 Wil
Rechtsform
Verwaltungseinheit
Rechtsgrundlagen
Vor dem Januar 2011 basierte die Tätigkeit der Psychiatrischen Dienste Sektor Nord im Wesentlichen auf der Verordnung über die medizinische und betriebliche Organisation der kantonalen Spitäler, psychiatrischen Kliniken und Laboratorien vom 17. Juni 1980 (abgekürzt: Spitalorganisationsverordnung; sGS 321.11). Seither bilden das Gesetz über die Psychiatrieverbunde vom 25. Januar 2011 (sGS 320.5) sowie das Statut der Psychiatrieverbunde vom 13. Januar 2012 (sGS 320.50) die zentralen rechtlichen Grundlagen.
Ergänzend kommen hinzu (Stand 2015):
- Leistungsauftrag des Kantons für den Psychiatrieverbund Nord (jährlich, ab 2015 dreijährlich) : beschreibt den allgemeinen Auftrag des Psychiatrieverbunds Nord (Versorgungsauftrag, Bildungsauftrag, Forschungsauftrag, Ethische Beratung) sowie seine besondere Aufgaben (Prävention, Konsiliardienst, Forensik).
- Grundvereinbarung über die Beziehungen zwischen dem Kanton St.Gallen und den St.Gallischen Kantonalen Psychiatrischen Diensten Sektor Nord vom 4. Dezember 2014: enthält eine längerfristige Regelung der finanziellen Beiträge sowie der Dienstleistungen, die der Kanton in bestimmten Bereichen
(Informatik, Immobilien, Versicherungen) zugunsten der Psychiatrieregion erbringt.
- Gesundheitsdepartement: Versorgungsbericht Psychiatrie vom Februar 2012 (RRB 2012/082)
- Gesundheitsdepartement: Strukturbericht Psychiatrie vom 18. November 2014
- Regierungsbeschluss über die Spitalliste Psychiatrie vom 18. November 2014 (sGS 331.42)
- Der forensische Bereich stützt sich auf das Strafrecht (StGB, Art. 19, 59 bis 61 und 63) und das Zivilrecht (ZGB, Art. 369 und 370).
(Amts-)Leitung
Klinik Wil, Chefärzte:
1892-1935: Heinrich Schiller
1935-1950: Eduard Näf
1951-1974: Fred Singeisen
1974-1985: Helmut Kunz
1985-1996: Ruedi Osterwalder
1996-2010: Hanspeter Wengle
ab 2010: Thomas Maier
Psychiatrische Dienste Sektor Nord, CEO (Direktor):
1997-2011 Josef Fässler
ab 2011: Markus Merz
Behördengeschichte
1892
Gründung der Psychiatrischen Klinik Wil, damals Asyl Wil genannt. Anlass dazu bietet die Tatsache, dass die seit 1845 bestehende Psychiatrische Klinik St.Pirminsberg in Pfäfers die Vielzahl der Patienten nicht mehr aufnehmen konnte. Der Kanton St. Gallen beschliesst deshalb, einen zweiten psychiatrischen Stützpunkt einzurichten, wobei die Wahl nach Prüfung verschiedener Alternativen auf Wil fällt. Das kantonale Asyl kann am 28. Juni 1892 eröffnet werden. An jenem Tag werden mittels eines Extrazugs 60 Frauen aus der Klinik St.Pirminsberg nach Wil überführt; am 30. Juni folgen 60 Männer nach. Die neu eingerichtete Klinik ist administrativ vorerst dem Departement des Innern unterstellt. Anfänglich umfasst sie ein Angebot von 200 Betten, welches durch bauliche Erweiterungen bis in die dreissiger Jahre des 20. Jahrhunderts auf die Kapazität von 1000 Betten aufgestockt werden muss.
1917
Kauf der Alp Barenegg, Hemberg und Schaffung einer Patienten-Kolonie. Als eine der ersten psychiatrischen Einrichtungen führt die Psychiatrische Klinik Wil die Arbeitstherapie als Bestandteil der Behandlung ein.
Ab 1930 bis 1950
Führung von Aussenstationen in Lütisburg, Trungen, Braunau und Lichtensteig.
1941
Zuordnung der Klinik zum Justiz- und Sanitätsdepartement. Letzteres wird 1970 separiert und ab 1980 Gesundheitsdepartement genannt.
1947
Gründung der Wohnbaugenossenschaft Bergholz für verheiratetes Personal; 1960 kommt die Wohnbaugenossenschaft Letten dazu. Später werden für lediges Personal die Schwesternhäuser Ost und West zur Verfügung gestellt.
1968
Eröffnung der Schule für psychiatrische Krankenpflege (Wil). Diese wird 1995 mit der Pflegerinnenschule Toggenburg-Linth (Wattwil) zur Schule für Gesundheits- und Krankenpflege Toggenburg-Fürstenland zusammengeschlossen.
1971
Gründung des Vereins Sozialpsychiatrische Beratungsstellen im Kanton St.Gallen. In den Folgejahren schrittweiser Auf- und Ausbau der Sozialpsychiatrie im Kanton, welche darauf abzielt, Patienten ambulant (d.h. möglichst unter Einbezug ihrer gewohnten Umgebung) und vorwiegend mit pflegerischen Mitteln
(d.h. ohne Medikamenteneinsatz) zu unterstützen. Getragen von privater Seite, jedoch unter wesentlicher finanzieller Beteiligung des Kantons und der Gemeinden im Einzugsgebiet, nehmen so bis 1990 insgesamt sieben sozialpsychiatrische Beratungsstellen ihren Betrieb auf: in Wattwil, St.Gallen, Heerbrugg, Uznach, Wil, Sargans und Rorschach.
1980
Eröffnung eines neuen Aufnahmegebäudes mit medizinischem Zentrum.
1980
Eröffnung der Drogenberatung St.Gallen, die 1994 in eine Stiftung umgewandelt wird (heute: Stiftung Suchthilfe).
1993
Eröffnung einer externen Station für Entzugswillige (illegale Drogen) in Flawil. Ende 1996 wird diese zugunsten der damals neu konzipierten, nun wieder ausschliesslich auf dem Klinikareal in Wil stationierten Suchttherapie wieder geschlossen.
1997
Grundlegende Reform der Psychiatrieorganisation im Kanton: Bildung der Kantonalen Psychiatrischen Dienste, aufgeteilt in die beiden Regionen bzw. Sektoren Nord (Wil) und Süd (Pfäfers). Gleichzeitig werden die sozialpsychiatrischen Beratungsstellen in die neu gebildeten Psychiatrie-Regionen eingegliedert. An Stelle der bisherigen Beratungsstellen werden neu Ambulatorien unter ärztlicher Leitung geführt, im Sektor Nord an den Standorten Wil, St.Gallen, Rorschach und Wattwil.
1997
Die Heimstätten Wil (Betreuung von psychiatrischen Langzeitpatienten) werden im Gefolge des Inkrafttretens des neuen Krankenversicherungsgesetzes (KVG) organisatorisch verselbständigt.
1997
Eröffnung der psychiatrischen Tagesklinik in St. Gallen.
2005
Eröffnung der psychiatrischen Tagesklinik in Rorschach.
2007
Der Gutsbetrieb der Klinik Wil, der seit der Gründung einerseits der (Selbst-) Versorgung mit landwirtschaftlichen Produkten, andererseits als Stätte der Arbeitstherapie diente, wird nach 115 Jahren verpachtet. Ab 2010 wird der Gutsbetrieb allerdings von den KPD-SN und den Heimstätten erneut genutzt und das dazugehörige Areal einzelnen Landwirten zur Nutzung zur Verfügung gestellt.
2008
Eröffnung eines stationären Kriseninterventionszentrums in St. Gallen. Gründung einer zweiten Tagesklinik mit psychotherapeutischem Hintergrund. Zusammenführung aller Dienste am Standort St.Gallen zu einem Psychiatriezentrum im ehemaligen EMPA-Gebäude an der Teufenerstrasse.
2008
Eröffnung der Abteilung für Weiterbildung und Forschung, des Center of Education & Research (COE&R). Es zeichnet sich durch ein fokussiertes Wissensmanagement und ein vielfältiges Fort- und Weiterbildungsprogramm aus. Es entwickelt im Zusammenhang mit assoziierten Forschungsaktivitäten Bildungs- und Dienstleistungsangebote für Mitarbeitende und externe Interessierte, etwa für zuweisende Stellen oder für Fachpersonen aus Medizin, Pflege, Psychologie oder Sozialarbeit.
2011
Eröffnung einer psychiatrischen Tagesklinik in Wattwil.
2012
Mit Inkrafttreten des Gesetzes über die Psychiatrieverbunde per 1. Januar 2012 werden die Kantonalen Psychiatrischen Dienste-Sektor Nord und die St.Gallischen Psychiatrie-Dienste Süd je zu einer selbständigen öffentlich-rechtlichen Anstalt des Kantons, unterstellt einem gemeinsamen Verwaltungsrat. Des weitern werden auch an den Standorten Rorschach und Wattwil, wie zuvor schon in St.Gallen (2008), die tagesklinischen und die ambulanten Dienstleistungen in Psychiatrischen Zentren zusammengefasst. Gleichzeitig werden die Alp Barenegg und die Schwesternhäuser Ost und West an den Kanton zurückgegeben, wobei das Schwesternhaus Ost zurückgemietet werden kann.
Tätigkeitsbereich (Behördenkompetenzen)
a) Behandlungsauftrag (Versorgungsauftrag):
Die Kantonalen Psychiatrischen Dienste Sektor Nord (KPD-SN) sind für die Behandlung, Betreuung und Beratung von erwachsenen Menschen mit psychischen Problemen im nördlichen Teil des Kantons St.Gallen zuständig. Zum Einzugsgebiet mit rund 280'000 Einwohnerinnen und Einwohnern zählen die Regionen Rorschach-St.Gallen, Fürstenland-Toggenburg sowie Teile des Unterrheintals. Die Klinik in Wil und die Krisenstation in St. Gallen stellen die stationäre Behandlung sicher. Der Klinik in Wil angeschlossen ist das Spezialpflegeheim Eggfeld, in welchem psychiatrisch erkrankte Pflegebedürftige wohnen. Hinzu kommen teilstationäre (= tagesklinische) und ambulante Angebote auf dem Klinikareal in Wil sowie in den Psychiatrischen Zentren in St. Gallen, Rorschach und Wattwil. Die medizinischen Therapieformen werden ergänzt durch Arbeits- und Beschäftigungstherapien, die u.a. auch Tiere und Pflanzen in ihre Aktivitäten miteinbeziehen. Weitere Angebote sind die Angehörigen-Beratungsstelle sowie die Beratung in Ethikfragen.
b) Bildungsauftrag:
Die KPD-SN leisten Beiträge zur Aus- und Weiterbildung von Ärzteschaft und Pflegepersonal sowie zur internen und externen Fortbildung für Interessierte anderer medizinischer und nichtmedizinischer Berufe. Die Ausbildung in psychiatrischer Krankenpflege erfolgt in enger Zusammenarbeit mit auswärtigen Schulen.
c) Forschungsauftrag:
Die KPD-SN können angewandte medizinische, psychologische und pflegerische Forschung betreiben und beteiligen sich an Studien und Arbeiten universitärer und nichtuniversitärer Betriebe.
d) Besondere Aufgaben:
- Prävention: Öffentlichkeits- und Aufklärungsarbeit über psychische Krankheiten
- Beratung (Konsiliar- und Liaisondienst): Beratung von ärztlichen und nicht-ärztlichen Partnern in psychiatrischen Fragen
- Forensik: Das Kompetenzzentrum Forensik verfasst Gutachten im Auftrag von zivil- und strafrechtlichen Behörden, der Invalidenversicherung oder von Patienten. Dabei kann es beispielsweise um die Einschätzung der Schuld- oder Arbeitsfähigkeit, um Deliquenzprognosen oder um vormundschaftliche Massnahmen gehen. Das Kompetenzzentrum unterstützt und berät die Organe der Justiz und insbesondere des Massnahmenvollzugs und ist zuständig für die Forensik in der Strafanstalt Saxerriet in Salez sowie im Massnahmenzentrum Bitzi in Mosnang. Im Herbst 2015 beschloss der Verwaltungsrat der Psychiatrieverbunde die Zentralisierung der Forensik im Kanton; seither werden die bisher von den Psychiatrischen Diensten Süd eigenständig erbrachten forensischen Dienstleistungen ebenfalls vom Kompetenzzentrum in Wil übernommen.
Administrative Strukturen
Die KPD-SN sind in ihrem Kern in drei psychiatrische Fachbereiche gegliedert, die je durch eine medizinische und eine pflegerische Leitung gemeinsam geführt werden. In den Fachbereich 1 integriert sind die drei Psychiatrischen Zentren in St.Gallen, Rorschach und Wattwil sowie die Tagesklinik und das Ambulatorium am Standort Wil. Die Fachbereichsleitungen bilden zusammen mit der Leitung Personalwesen und der Leitung Finanzen & Controlling die Geschäftsleitung der KPD-SN, welche unter dem Vorsitz des Direktors (CEO) steht. Ihr obliegen die operative Führung und die Vertretung des Psychiatrieverbunds nach aussen. Unterstützend stehen ihr dabei die Zentralen Dienste zur Verfügung, welche für Administration, Kommunikation und Infrastruktur zuständig sind. Durch separate Gremien geführt werden das Center of Education & Research (COE&R) und das Spezialpflegeheim Eggfeld. Insgesamt sind in den KPD-SN ca. 760 Mitarbeitende in ca. 584 Vollzeitstellen (inkl. Ausbildungs- und Praktikumstellen) beschäftigt (Stand Ende 2014).
Nach aussen hin sind die KPD-SN seit dem 1. Januar 2012 zusammen mit den St.Gallischen Psychiatrie-Diensten Süd einem gemeinsamen Verwaltungsrat gegenüber verantwortlich; zuvor unterstanden sie der Aufsicht des Gesundheitsdepartements bzw. einer je eigenen Spitalkommission. Der Direktor der KPD-SN ist zudem gemeinsam mit dem Direktor der Psychiatrie-Dienste Süd, dem Vorsitzenden sowie dem Geschäftsstellenleiter des Verwaltungsrats der Psychiatrieverbunde in den Koordinationsausschuss der Psychiatrieverbunde eingebunden.
Parallelüberlieferungen
Institutionelle Partnerschaften:
- Kantonsrat/Regierung: Die Entwicklung der zentralen rechtlichen, finanziellen und baulich-infrastrukturellen Grundlagen sowie die wichtigsten Personalia der Psychiatrischen Klinik Wil (z.B. Wahl von Leitungspersonen) sind für die Zeit bis zu ihrer rechtlichen Verselbständigung auch über die Protokolle von Kantonsrat und Regierung greifbar. Ebenso wurde in dieser Ära in den Amtsberichten der Regierung (StASG ZA 003) regelmässig in summarischer Form über die Tätigkeit der Klinik Bericht erstattet. Für die Jahre bis 1971 sind zusätzlich die in vergleichbarer Form gehaltenen Jahresberichte über das Sanitätswesen (Sanitätsberichte) zu beachten (StASG ZA 039).
- Gesundheitsdepartement: Das Generalsekretariat des GD mit seinen Diensten (z.B. Rechtsdienst) und Ämtern (z.B. Amt für Gesundheitsversorgung) bildete für die Psychiatrische Klinik Wil bis Ende 2011 die zentrale Anlaufstelle in der Kantonsverwaltung. Seit der rechtlichen Verselbständigung der KPD-SN hat es zwar an Bedeutung eingebüsst, bleibt aber in manchen Fragen des betrieblichen Alltags ein wertvoller Ansprechpartner mit beratender Funktion, insbesondere in rechtlichen Belangen, Tarif- oder Rechnungsfragen.
- Verwaltungsrat der Psychiatrieverbunde: Der Verwaltungsrat ist das oberste Leitungsorgan der beiden Psychiatrieverbunde und führt, unterstützt durch seine Geschäftsstelle und den Koordinationsausschuss, deren Geschäfte, soweit er ihnen diese nicht übertragen hat. Die wichtigen Sitzungsprotokolle von Verwaltungsrat und Koordinationsausschuss werden über die Geschäftsstelle archivisch gesichert.
- Psychiatrie-Dienste Süd: Die Psychiatrische Klinik St.Pirminsberg in Pfäfers bzw.die heutigen St.Gallischen Psychiatrie-Dienste Süd bilden für den Südteil des Kantons von alters her das Pendant zur Psychiatrischen Klinik Wil, das in vielen Bereichen vergleichbar ist. Seit dem Jahr 2012 unterstehen beide Sektoren demselben Verwaltungsrat, was unweigerlich eine Partnerschaft mit sich bringt. Bereits zusammengelegt wurden der IT-Bereich und die Forensik. Für die Zukunft ist eine weitere Vertiefung der Zusammenarbeit absehbar, entsprechende Projekte sind, zusammengefasst unter dem Titel „Strategie 2020“, am Laufen.
- Staatsanwaltschaft und Gerichte/Straf- und Massnahmenvollzug: Die Originale der von den zuständigen Behörden bestellten forensischen Gutachten fliessen in die Fallakten der Besteller ein und werden dem Staatsarchiv von dort aus zur Übernahme angeboten.
- Hochbauamt: Für die Planung und Realisierung von Bauvorhaben in der Psychiatrischen Klinik Wil zeichnet das kantonale Hochbauamt verantwortlich. Angebot und Ablieferung der diesbezüglichen Projektunterlagen, darunter auch der besonders wichtigen Pläne und Bilder, richtet sich nach dem Bewertungsmodell für das Hochbauamt vom August 2013. Die darin enthaltenen Bewertungsentscheide bleiben, soweit sie die KPD-SN betreffen, sinngemäss auch nach einer allfälligen Übertragung der baulichen Zuständigkeiten vom Kanton auf die Psychiatrieverbunde gültig und anwendbar.
Fachliche Partnerschaften:
- Heimstätten Wil: Die auf dem Klinikareal angesiedelten Heimstätten Wil bieten Wohn- und Arbeitsangebote sowie Tagesstrukturen für Menschen mit einer geistigen oder psychischen Beeinträchtigung. Per Januar 1997 aus den KPD-SN ausgegliedert, unterstanden sie fortan direkt dem Gesundheitsdepartement, bevor sie im Jahr 2015 in eine selbständige Stiftung überführt wurden. Die Psychiatrische Klinik Wil erbringt aber den Heimstätten Wil weiterhin zentrale Dienstleistungen (gegen kostendeckende Verrechnung).
- Spitäler, Ärzteschaft und Therapeuten (Region Wil - St.Gallen - Rorschach): Beratung, fachlicher Austausch und informelle Zusammenarbeit
- St.Gallischer Hilfsverein für Gemütskranke: Der im Jahr 1866 vom Ärztlichen Verein des Kantons St.Gallen gegründete, bis heute bestehende Verein unterstützt Einzelpersonen oder Familien, die aufgrund einer psychischen Krise oder Erkrankung in eine finanzielle Notlage geraten sind, u.a. als Träger mehrerer betreuter oder begleiteter Wohngemeinschaften, und begleitet diese Menschen bei der Bewältigung des Alltags.
- Qualitätsmanagement: Mitwirkung in einem "Q-Circle", an dem die Chefärzte, Pflegedienstleitungen, CEO’s und Qualitätsbeauftragten von sieben Kliniken teilnehmen (jährliche Tagungen) sowie am Qualitätsbeauftragten-Treffen Ostschweiz (halbjährliche Treffen mit Vertretungen der psychiatrischen Kliniken der Kantone SG, GR, SH, TG, AR/AI).
- Universitäten/Fachhochschulen: Partnerschaften in Forschung und Lehre
Stadtarchiv Wil:
Das Stadtarchiv Wil verfügt über mehrere Bildserien (Postkarten, Fotos) zu baulichen und betrieblichen Aspekten der Klinik Wil, z.T. bis ins 19. Jh. zurückreichend.
Literatur:
- Jan Mikolasek: Das kantonale Asyl in Wil. Die Jahre 1892 bis 1950 der heutigen Psychiatrischen Klinik (Zürcher medizingeschichtliche Abhandlungen, Bd.229), Dietikon 1991 (Bibliothek StASG RM 004)
- 100 Jahre Kantonale Psychiatrische Klinik Wil, Wil 1992 (Bibliothek StASG RM 005)
- Max Lemmenmeier: Von Psychiatrie, Irrenanstalten und Querulanten, in: Sankt-Galler Geschichte 2003, Bd. 7: Die Zeit des Kantons 1914-1945, S. 16f.
- Peter Müller/Alexander Klein: Patienten, Bauern, Therapeuten. Gutsbetrieb und Arbeitstherapie in der Psychiatrischen Klinik Wil, 1892 bis 2007, Wil 2007 (Bibliothek StASG RM 002)
Website:
Für einen Überblick über Geschichte und Aufgaben, Organisation und Tätigkeit der KPD-SN siehe auch www.psychiatrie-nord.sg.ch [zuletzt aufgerufen am 28. Februar 2016]
Bewertung der organisatorischen Gesamtfunktion
Die KPD-SN gehören seit 2012 als öffentlich-rechtliche Anstalt nicht mehr zur kantonalen Verwaltung. Dessen ungeachtet nehmen sie mit ihrer traditionsreichen Geschichte, die bis ins 19. Jahrhundert zurückreicht, und ihrem überaus grossen Einzugsgebiet (rund 280'000 Menschen) für den Kanton St.Gallen bis heute eine besondere Stellung ein. Diese wird zusätzlich untermauert durch die Tatsache, dass die KPD-SN mit zu den grössten Arbeitgebern nicht nur in der Region Wil, sondern auch im und für den Kanton St.Gallen überhaupt gehören. So entsprechen die 584 Vollzeitäquivalente, welche die KPD-SN per Ende 2014 ausweist, über 10% der Beschäftigten, die zum selben Zeitpunkt in der Zentralverwaltung des Kantons (ohne öffentlich-rechtliche Anstalten) tätig waren.
Historische Kriterien
Die Geschichte der Psychiatrie in der Schweiz wurde lange Zeit von den Exponenten des Fachs selber geschrieben, wobei das Nachzeichnen des Entwicklungsfortschritts der Disziplin und der Tätigkeit herausragender Ärzte im Zentrum stand. Niederschlag fand dieser Ansatz in zahlreichen Anstaltsmonografien und Ärztebiografien, mit einem zeitlichen Schwerpunkt bezüglich des 19. und des frühen 20. Jahrhunderts. In dieser Tradition stehen auch noch die beiden im Lauf der 1990er Jahre publizierten medizinhistorischen Abhandlungen über die Kliniken Wil und St.Pirminsberg in Pfäfers. Erst in jüngerer Zeit fand eine Erweiterung der Forschungsperspektive statt, indem die Psychiatrie nicht mehr isoliert betrachtet, sondern vermehrt auch nach ihren gesellschaftlichen Rahmenbedingungen gefragt wurde. Wichtige Impulse ergingen dabei von der Mitte der 1990er-Jahre einsetzenden Debatte über die Rolle eugenischer Denk- und Handlungsmuster in der kantonalen und kommunalen Fürsorgepolitik. Ein zweiter neuer Schwerpunkt befasste sich mit der zunehmenden Ausdifferenzierung der Psychiatrie, vor allem mit der Institutionalisierung psychiatrischer Expertise ausserhalb von psychiatrischen Anstalten, zum Beispiel im Justiz- und im Militärwesen. Parallel dazu fand die Geschichte der Psychiatrie allmählich auch Eingang in das Bewusstsein der Öffentlichkeit, nachdem Einzelschicksale von der populärwissenschaftlichen Literatur aufgegriffen und auch in den Medien diskutiert wurden.
Als Forschungsdesiderate werden in der Literatur genannt: erstens die Entwicklung der Psychiatrie in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts mit ihrer fortschreitenden fachlichen Spezialisierung und der Herausbildung zusätzlicher Angebote (z.B. sozialpsychiatrische Beratungsstellen); zweitens die Analyse psychiatrischer Krankheitskonzepte und Therapiemethoden im Wandel der Zeit; schliesslich drittens das Spannungsverhältnis zwischen der nationalen Ebene der schweizerischen Psychiatriegeschichte und ihren regionalen Besonderheiten. Nicht nur vor dem letztgenannten Hintergrund ist davon auszugehen, dass sowohl die Verwaltungsunterlagen als auch die Krankengeschichten der KPD-SN über kurz oder lang zum Gegenstand historischer Forschung werden dürften. Ebenfalls dazu beitragen dürfte die Tatsache, dass die Klinik Wil zu den ältesten und traditionsreichsten psychiatrischen Institutionen in der Schweiz zählt, die verschiedentlich Pionierarbeit leistete, so etwa mit der Einführung der Arbeitstherapie auf dem Gutsbetrieb als festem Bestandteil der Behandlung.
Rechtliche Kriterien
Rechtliche oder administrative Aufbewahrungspflichten und -fristen:
- Unterlagen des Finanz- und Rechnungswesens: Aufbewahrungspflicht während 10 Jahren, in sachgemässer Anwendung von Art. 590, 730c und 747 sowie Art. 957 und 962 des Schweizerischen Obligationenrechts (SR 220), der eidgenössischen Geschäftsbücherverordnung (SR 221.431) sowie gemäss Art. 15 der kantonalen Finanzhaushaltsverordnung vom 17. Dezember 1996 (sGS 831.1).
- Personaldossiers: Aufbewahrung bis 10 Jahre nach Austritt aus dem Dienstverhältnis, in Anlehnung an die Verjährungsfristen nach Art. 24 der Besoldungsverordnung vom 27. Februar 1996 (sGS 143.2) sowie in Verbindung mit Art. 127 bis 142 des Schweizerischen Obligationenrechts (SR 220); vgl. dazu auch die Richtlinie des kantonalen Personalamts zum Umgang mit Personalunterlagen und Personaldossiers vom 1. Juni 2012 (PHB 35.1).
- Für Krankengeschichten gilt vorerst die minimale Aufbewahrungspflicht von 10 Jahren gemäss kantonaler Spitalorganisationsverordnung (sGS 321.11, Art. 62). Darüber hinaus ist das kantonale Datenschutzgesetz (sGS 142.1) zu beachten. Dieses hält fest, dass kantonale Dienststellen Personendaten nur so lange bearbeiten (d.h. auch: vor Ort aufbewahren) dürfen, wie diese zur Erfüllung der gesetzlich festgeschriebenen Aufgaben der Dienststelle – im Fall der KPD-SN der Behandlung, Betreuung und Beratung von erwachsenen Menschen mit psychischen Problemen – unentbehrlich sind (sGS 142.1, Art. 5 Abs. 2 Bst. b). Nach Ablauf der internen Gebrauchsdauer müssen die Personendaten dem Staatsarchiv zwingend zur Übernahme angeboten werden (sGS 142.1, Art. 10). Da es relativ oft vorkommt, dass abgeschlossene Behandlungen zu einem (allenfalls deutlich) späteren Zeitpunkt wieder aufgenommen werden, kann die interne Gebrauchsdauer im obgenannten Sinn im Psychiatriebereich sehr lang sein. Potentiell erstreckt sie sich auf die gesamte Lebensdauer eines Patienten, d.h. auf einen möglichen Zeitraum von bis zu 100 Jahren nach der Geburt; sie endet aber auf jeden Fall spätestens mit dem Tod des Patienten.Der Rückgriffbedarf besteht grundsätzlich sowohl bei stationären als auch bei tagesklinischen oder ambulanten Fällen, zumal der nicht-stationäre Bereich im Sinn des Grundsatzes "Ambulant vor stationär" in der jüngsten Zeit erheblich an Bedeutung gewonnen hat. Die Übergänge zum stationären Bereich sind entsprechend fliessend, sowohl in der Behandlung des einzelnen Patienten als auch in der Ablage der daraus entstehenden Fallakten.
- Forensische Gutachten: Wird für eine Person ein forensisches Gutachten erstellt, werden nach Möglichkeit bereits bestehende Gutachten konsultiert. Auch hier kann sich die potentielle Rückgriffnotwendigkeit auf die gesamte Lebensdauer eines Patienten erstrecken (d.h. bis 100 Jahre nach seiner Geburt). Zu beachten ist dabei allerdings, dass ein weiteres Exemplar dieser Gutachten beim jeweiligen Besteller (Auftrag gebende Behörde) vorliegt.
Bedeutung im Hinblick auf Rechtssicherheit und Interessenwahrung (für den Staat oder Private) sowie für die Nachvollziehbarkeit staatlichen Handelns:
- Medizinische Forschung: Eher selten und zudem zeitlich begrenzt ist die Verwendung von Krankengeschichten für die medizinische Forschung im engeren Sinn, d.h. beispielsweise für Medikamentenstudien. Im Fokus stehen dabei in der Regel die Krankengeschichten der jüngsten zwanzig Jahre.
- Familiäre und familiengeschichtliche Interessen: Vergleichsweise häufig gelangen dagegen Nachkommen von Patienten an die KPD-SN und bitten zwecks Klärung der Lebensumstände ihrer Vorfahren um Akteneinsichtnahme. Dabei können mitunter Krankengeschichten von Interesse sein, die mehrere Generationen zurückreichen.
- Transparenz des Handelns in sensiblem Umfeld: Die Psychiatrie bewegt sich nicht selten auf einem schmalen Grat zwischen dem Bemühen um Heilung und dem Eingriff in die seelische oder körperliche Integrität des Patienten. Dies kann besonders dann heikel sein, wenn die getroffenen Massnahmen gegen den Willen der Betroffenen erfolgen (Zwangsmassnahmen). Entsprechend hoch zu gewichten ist im Psychiatriebereich die Pflicht der Handelnden, auf Anfrage hin Rechenschaft ablegen zu können über ihr Tun: gegenüber den Betroffenen und ihren Angehörigen, in einem weiteren Sinn aber auch gegenüber der Gesellschaft und dem Auftrag gebenden Staat. Hierfür ist nicht zuletzt eine ausreichende schriftliche Dokumentation unverzichtbar.
Vereinbarung
Vereinbarung zwischen dem Staatsarchiv St.Gallen und den Kantonalen Psychiatrischen Diensten Sektor Nord vom Mai 2016:
Führung:
- Geschäftsberichte (Jahresberichte): öffentliche Version: Dauernde Aufbewahrung (jährliche Ablieferung in 2 Exemplaren an die Amtsdruckschriftensammlung des Staatsarchivs); interne Version: Dauernde Aufbewahrung
- Risiko- und Qualitätsberichte: Dauernde Aufbewahrung
- Protokolle der Geschäftsleitung: Dauernde Aufbewahrung
- Protokolle der Spitalkommission (bis 2011): Dauernde Aufbewahrung
- Protokolle des Koordinationsausschusses der Psychiatrieverbunde: Vernichten
- Rechtliche und organisatorische Grundlagen/Qualitätsmanagement: Angebotspflicht (Ablieferung zur differenzierten Beurteilung im Staatsarchiv)
- Verträge/Leistungsvereinbarungen: Dauernde Aufbewahrung
Zentrale Dienste:
- Personaldossiers Festangestellte:Personen mit Leitungsfunktion (insbes. Mitglieder der Geschäftsleitung, Leitungen der Psychiatrischen Zentren): Dauernde Aufbewahrung; Personen, die durch ihre dienstliche oder ausserdienstliche Tätigkeit kantonalen oder nationalen Bekanntheitsgrad erlangt haben
("Berühmte und Berüchtigte") : Dauernde Aufbewahrung; Personen, die vor 1950 aus dem Staatsdienst ausgetreten bzw. vor 1900 geboren worden sind: Dauernde Aufbewahrung; Übrige Personen: Vernichten (10 Jahre nach Austritt aus dem Dienstverhältnis)
- Personaldossiers Auszubildende: Vernichten (10 Jahre nach Austritt aus dem Dienstverhältnis)
- Arbeitszeit- und Absenzenerfassung: Vernichten (nach Ablauf von 10 Jahren)
- Rechnungswesen/Buchhaltung: Vernichten (nach Ablauf von 10 Jahren)
- Hauszeitung KLIFO: Dauernde Aufbewahrung (laufende Ablieferung von 2 Exemplaren an die Amtsdruckschriftensammlung des Staatsarchivs)
- Bildersammlung (Fotosammlung): Angebotspflicht (Ablieferung zur differenzierten Beurteilung im Staatsarchiv)
- Dokumentationsmaterial (Broschüren, Prospekte, Pressesammlung, Jubiläums- und Festschriften etc.): Angebotspflicht (Ablieferung zur differenzierten Beurteilung im Staatsarchiv)
Medizinischer Bereich:
- Krankengeschichten der Klinik Wil (inkl. Tagesklinik und Ambulatorium): Dauernde Aufbewahrung
- Krankengeschichten der Psychiatrischen Zentren: Zufallsstichprobe: Dauernde Aufbewahrung; übrige Unterlagen: Vernichten (nach Ablauf der internen Gebrauchsdauer)
- Krankengeschichten, Kartei: Dauernde Aufbewahrung
- Klinikinformations-System (PHOENIX): Dauernde Aufbewahrung
- Patientenadministrations-System (OPALE): Vernichten (nach Ablauf der internen Gebrauchsdauer)
- Forensische Gutachten: Vernichten (nach Ablauf von 100 Jahren seit Geburt der begutachteten Person oder von 80 Jahren seit Erstellung des Gutachtens)
- Laborberichte: Vernichten (nach Ablauf der internen Gebrauchsdauer)
Nicht-medizinischer Bereich:
- Forschung: Projektdossiers/Berichte mit Federführung der Dienststelle: Angebotspflicht gegenüber dem Staatsarchiv; Projektdossiers/Berichte ohne Federführung der Dienststelle: Vernichten (nach Ablauf der internen Gebrauchsdauer)
Term of protection
Zeitraumende
Protection period
30 years
Schutzfristkategorie
Sachakten (30 Jahre)
End of protection period
12/31/2050
Authorisation
Staatsarchiv
Accessibility
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Physical usability
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