Stiftung Sonnenhof Ganterschwil, Kinder- und jugendpsychiatrisches Zentrum
Titel
Stiftung Sonnenhof Ganterschwil, Kinder- und jugendpsychiatrisches Zentrum
Stufe
Fonds
Existenzzeitraum
1994-
Synonyme
Kinder- und Jugendpsychiatrisches Zentrum Sonnenhof
Geographische Angaben (Adresse)
Sonnenhofstrasse 15, 9608 Ganterschwil
Rechtsform
Stiftung
Rechtsgrundlagen
Rechtsgrundlagen:
- Stiftungsurkunde der Stiftung Sonnenhof vom 30. März 2020
- Bundesgesetz über die Krankenversicherung vom 18. März 1994 (KVG; SR 832.10)
- Leistungsverträge zwischen der Stiftung und den beteiligten Kantonen
Für den Kanton St.Gallen kommen hinzu:
- Gesundheitsgesetz vom 28. Juni 1979 (sGS 311.1)
- Gesetz über die Spitalplanung und Spitalfinanzierung vom 31. Januar 2012 (sGS 320.1)
- Psychiatriekonzeption 2022 vom 20. Dezember 2022
- Spitalliste Psychiatrie vom 20. Dezember 2022 (sGS 331.42)
- Leistungsvertrag zur Erbringung von Leistungen gemäss Spitalliste Psychiatrie zwischen dem Kanton St.Gallen und dem Kinder- und Jugendpsychiatrischen Zentrum Sonnenhof (2023 bis 2026) vom Januar 2023
(Amts-)Leitung
Ärztliche Leitung (ab 1954):
1954 – 1961: Dr. Walter Züblin
1961 – 1992: Dr. Hermann Städeli
1992 – 1997: Dr. Michel Egi
1997 – 2013: Dr. med. Robert Fisch
2013 – 2023: Dr. med. Ulrich Müller-Knapp
Ab 2023: Dr. med. Ender Seba
Behördengeschichte
Im Nachgang zur Verabschiedung des kantonalen Waisenversorgungsgesetzes von 1896 wurde im evangelisch-reformierten Pfarrkapitel Toggenburg die Gründung eines Vereins angeregt, um die Versorgung der Waisenkinder zu verbessern. Bereits am 15. Januar 1902 fand im Rathaus in Lichtensteig die erste Versammlung des «Evangelischen Erziehungsvereins» statt, der die Suche nach geeigneten Pflegefamilien und die Beaufsichtigung der Pflegekinder bezweckte. Aufgrund der rasch steigenden Nachfrage nach Betreuungsplätzen sowie diverser Schwierigkeiten in manchen Pflegefamilien wuchs schon bald das Bedürfnis nach einem eigenen Haus zur Unterbringung und Betreuung der Kinder. Am 31. Oktober 1918 konnte in Ganterschwil ein zum Heim umgebautes ehemaliges Stickereigebäude bezogen und auf den Namen «Sonnenhof» getauft werden.
Im Jahr 1954 erfolgte der Wandel zu einer heilpädagogischen Beobachtungs- und Therapiestation für Kinder. Sie sollte den schulpsychologischen Dienst unterstützen, indem sie Kinder zur Beobachtung aufnahm, die nicht ambulant begutachtet werden konnten. Träger war der evangelisch-reformierte Verein für diakonische Aufgaben des Kirchenbezirks Toggenburg (EVDA). Der heilpädagogischen Ausrichtung entsprechend beteiligte sich der Staat anfänglich allein auf der Basis der Gesetzgebung über die Staatsbeiträge an private Sonderschulen, während für den Heimbetrieb und die medizinischen Massnahmen keine Beiträge der öffentlichen Hand ausgerichtet wurden.
Recht schnell entwickelte sich aber aus der ursprünglichen Beobachtungsstation eine kinderpsychiatrische Institution. Die anfänglich 20 bis 24 Plätze wurden zunehmend für psychisch kranke Kinder beansprucht, deren Aufenthalt bis zu einem Jahr und länger dauerte, 1975 anerkannte denn auch der Regierungsrat den «Sonnenhof» als ärztliche Einrichtung mit dem Charakter einer kinderpsychiatrischen Institution und leistete erstmals einen Staatsbeitrag über ein entsprechendes Konto des Gesundheitsdepartements. Dem Erziehungsdepartement verblieb weiterhin die Aufsicht über den Schulbetrieb. Im Jahr 1982 wurde ein Vorlehrjahr für Jugendliche im Alter zwischen 15 und 18 Jahren angegliedert, 1986 kam eine Lehrlingswohngruppe mit vier Plätzen hinzu.
Am 1. Januar 1994 löste die neu gegründete Stiftung Sonnenhof Ganterschwil den EVDA als Trägerin des Kinder- und Jugendpsychiatrischen Zentrums Sonnenhof ab. 1996 erteilte der Regierungsrat der Stiftung Sonnenhof, gestützt auf das kantonale Psychiatriekonzept von 1989, den Leistungsauftrag zur Führung einer kinder- und jugendpsychiatrischen Klinik (RRB 1996/1057). Nur ein Jahr später nahm der Kanton die Klinik in die Spitalliste des Kantons auf. 2009 erfolgte die Einweihung des Klinikneubaus.
Tätigkeitsbereich (Behördenkompetenzen)
Unter dem Namen Stiftung Sonnenhof besteht eine mit öffentlicher Urkunde vom 30. März 2020 errichtete Stiftung im Sinne von Art. 88 ff. ZGB mit Sitz in Ganterschwil, die den Betrieb von kinder- und jugendpsychiatrischen Institutionen und Betreuungsangeboten, insbesondere den Betrieb des Zentrums Sonnenhof in Ganterschwil bezweckt.
Die Hauptaufgabe des Zentrums Sonnenhof besteht in der stationären Behandlung von psychisch kranken Kindern und Jugendlichen im Alter von bis zu 18 Jahren, für die 46 Betten zur Verfügung stehen. Jährlich werden rund 320 Patienten und Patientinnen aus den Kantonen mit Leistungsauftrag (St.Gallen, Appenzell Ausserrhoden, Glarus, Schwyz, Schaffhausen, Zürich) behandelt. Mit Abstand am meisten von ihnen stammen aus dem Kanton St.Gallen. Die Behandlung umfasst die drei Bereiche Psychiatrie und Psychotherapie, Pflege und Sozialpädagogik sowie Klinikschule und ist stark interdisziplinär und interprofessionell ausgerichtet. Die Finanzierung der im Einzelfall erbrachten Leistungen erfolgt gemäss KVG, d.h. zu 55% durch den Herkunftskanton des Patienten oder der Patientin, zu 45% durch den Versicherer. Die Klinikschule wird durch die Schulträger der einzelnen Gemeinden, das Gesundheitsdepartement des Kantons St.Gallen sowie bei ausserkantonalen Hospitalisationen durch die Kantone finanziert.
Ergänzend bietet das Zentrum Sonnenhof bestimmte Aus- und Weiterbildungsangebote für ärztliches Personal, Psychologieberufe und nichtuniversitäre Gesundheitsberufe an und ist in der Beratung und Information von Externen tätig (Austausch mit Zubringern, Fachpersonen und weiteren Interessierten, z.B. im Rahmen von Fachtagungen).
Administrative Strukturen
Rechtlich ist der Sonnenhof als Stiftung organisiert. Oberstes Organ der Stiftung ist der Stiftungsrat. Diesem rapportiert jährlich die vom CEO/Chefarzt angeführte Geschäftsleitung der Klinik, der neben dem CEO/Chefarzt, der CFO/Verwaltungsleiter, die Therapeutische Leitung, die Leitung Pflege/Sozialpädagogik sowie die Leitung der Klinikschule angehören. Insgesamt beschäftigt die Klinik 185 Festangestellte, die sich 1360 Stellenprozente teilen (Stand 2023).
Parallelüberlieferungen
Eine institutionalisierte Zusammenarbeit pflegt die Klinik im Hinblick auf die Auslieferung der relevanten statistischen Daten mit den kantonalen Fachstellen für Statistik, in Tarif- und Finanzierungsfragen mit den zuständigen Departementen der beteiligten Kantone. Das Gesundheitsdepartement des Kantons St.Gallen ist zudem im Stiftungsrat vertreten. Massgebliche Entscheide, namentlich zum Leistungsauftrag, zu finanziellen und zu baulichen Themen sind auch über die Protokolle der kantonalen Regierungen dokumentiert. Regelmässige Kontakte bestehen ausserdem zu den Zuweisern (KJPD, niedergelassene Psychiater), zu Krankenversicherern sowie zu Kindes- und Erwachsenenschutzbehörden (KESB). Einen guten Überblick über Aufgaben, Organisation und Tätigkeit der Klinik Sonnenhof gibt die Webseite der Klinik unter www.kjpz.ch.
Bewertung der organisatorischen Gesamtfunktion
Im Kanton St.Gallen wird in organisatorischer Hinsicht unterschieden zwischen der Erwachsenenpsychiatrie, für welche die «Psychiatrie St.Gallen», eine öffentlich-rechtlichen Anstalt des Staates, zuständig ist, und der Kinder- und Jugendpsychiatrie, die – als Unikum in der Schweiz – nochmals auf zwei verschiedene Stiftungen aufgeteilt ist: die Stiftung Kinder- und Jugendpsychiatrische Dienste KJPD (für ambulante Behandlungen) und die Stiftung Sonnenhof (für stationäre Behandlungen). All die drei genannten Institutionen sind organisatorisch-rechtlich ausserhalb der kantonalen Verwaltung angesiedelt. Unabhängig von der Rechtsform gehört aber die Bereitstellung eines geeigneten Angebots zur professionellen Behandlung von psychisch Kranken nach heutigem Verständnis zur Grundversorgung, die ein modernes Staatswesen zu gewährleisten hat.
Historische Kriterien
Die Kinder- und Jugendpsychiatrie gilt als eine der jüngsten medizinischen Disziplinen. Entsprechend ist ihre Geschichte, durchaus im Gegensatz zur Erwachsenenpsychiatrie, bisher noch wenig erforscht. Letzteres trifft erst recht für die Schweiz zu. Erste diesbezügliche Untersuchungen, die seit dem ausgehenden 20. Jahrhundert veröffentlicht worden sind, beleuchteten vor allem institutionelle Entwicklungen und personelle Verflechtungen unter den Akteuren. In jüngster Zeit ist zudem die Rolle, welche die Kinder- und Jugendpsychiatrie im Rahmen von fürsorgerischen Zwangsmassnahmen gespielt hat, in den Fokus gerückt. Andere Fragen sind dagegen bislang weitgehend offengeblieben, so etwa jene nach den treibenden Kräften bei der Etablierung der jungen Disziplin, jene nach den Gründen, die dazu beigetragen haben, dass die Schweiz dabei als Pionierin gilt, oder auch jene nach regionalen Unterschieden der institutionellen Entwicklung in der Schweiz. Im Unterschied zu anderen Regionen praktisch gänzlich unerforscht ist bislang die Geschichte der Kinder- und Jugendpsychiatrie in der Ostschweiz. Insbesondere zum Sonnenhof in Ganterschwil ist eine solide historische Aufarbeitung ausstehend. Von besonderer Bedeutung sind hierfür die Patientenakten, indem sie auf der Ebene des Einzelfalls die in Ganterschwil praktizierten Diagnose- und Therapiemethoden und deren Entwicklung im Wandel der Zeit, die Interaktion zwischen Behandelnden, Betroffenen und weiteren Beteiligten sowie zugrundeliegende Mentalitäten und Werte illustrieren.
Rechtliche Kriterien
Rechtliche oder administrative Aufbewahrungsfristen:
- Unterlagen des Finanz- und Rechnungswesens: Aufbewahrungspflicht während 10 Jahren, in sachgemässer Anwendung von Art. 590, 730c und 747 sowie Art. 957 und 962 des Schweizerischen Obligationenrechts (SR 220), der eidgenössischen Geschäftsbücherverordnung (SR 221.431) sowie gemäss Art. 15 der kantonalen Finanzhaushaltsverordnung vom 17. Dezember 1996 (sGS 831.1).
- Personaldossiers: Aufbewahrung bis 10 Jahre nach Austritt aus dem Dienstverhältnis, in Anlehnung an die Verjährungsfristen nach Art. 24 der Besoldungsverordnung vom 27. Februar 1996 (sGS 143.2) sowie in Verbindung mit Art. 127 bis 142 des Schweizerischen Obligationenrechts (SR 220); vgl. dazu auch die Richtlinie des kantonalen Personalamts zum Umgang mit Personalunterlagen und Personaldossiers vom 1. Juni 2012 (PHB 35.1).
- Krankengeschichten: Für Patientendokumentationen (Krankengeschichten) gilt, unter Vorbehalt längerer Aufbewahrungsfristen nach Bundesrecht, die minimale Aufbewahrungspflicht von 10 Jahren gemäss Art. 20 der kantonalen Verordnung über die Rechtsstellung der Patientinnen und Patienten vom 13. Dezember 2016 (PatV; sGS 321.12).
Bedeutung im Hinblick auf Rechtssicherheit und Interessenwahrung für den Staat oder Prviate sowie für die Nachvollziehbarkeit staatlichen Handelns:
- Interessenwahrung zugunsten der Betroffenen: Aus Sicht der Betroffenen (oder allenfalls deren Nachkommen) kann auch über die rechtlich vorgeschriebene Mindestaufbewahrungsfrist von zehn Jahren hinaus ein Interesse daran vorliegen, auf die eigene Krankengeschichte zurückgreifen zu können, sei es mit Blick auf spätere Nachbehandlungen oder sei es aus einer persönlich-biografischen Motivation. Wie die langjährige Erfahrung des Aktenbildners zeigt, ist monatlich im Durchschnitt mit zwei bis drei Anfragen zu rechnen, die sich in der Regel auf den Zeitraum von bis zu 20 Jahren nach Austritt aus der Klinik erstrecken. Nach Ablauf dieser Frist sind Anfragen deutlich seltener. Trotzdem hat die Klinik nicht zuletzt vor diesem Hintergrund bisher sämtliche Krankengeschichten, die seit den 1950er Jahren entstanden sind, integral aufbewahrt.
- Transparenz des Handelns in sensiblem Umfeld: Die Psychiatrie bewegt sich nicht selten auf einem schmalen Grat zwischen dem Bemühen um Heilung und dem Eingriff in die seelische und körperliche Integrität des Patienten bzw. der Patientin. Dies kann besonders dann heikel sein, wenn die getroffenen Massnahmen gegen den Willen der Betroffenen erfolgen (freiheitsbeschränkende Massnahmen). Entsprechend hoch zu gewichten ist deshalb im Psychiatriebereich die Pflicht der Handelnden, auf Anfrage hin Rechenschaft ablegen zu können über ihr Tun: sei es in einer auf den Einzelfall bezogenen Perspektive gegenüber den Betroffenen und ihren Angehörigen oder sei es in einem weiteren, kollektiven Sinn auch gegenüber der Gesellschaft und dem Auftrag gebenden Staat. Zu diesen Zwecken ist eine ausreichende schriftliche Dokumentation unverzichtbar. Beispielhaft illustriert haben diese Notwendigkeit unlängst die verschiedenen Studien, die sich mit Medikamentenversuchen in der Psychiatrie der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts auseinandersetzen, so auch jene, die vom St.Galler Gesundheitsdepartement in Auftrag gegeben worden ist.
Vereinbarung
Archivierungsvereinbarung vom März 2024:
Führung/Support:
- Rechtliche und organisatorische Grundlagen: Anbieten (zur differenzierten Bewertung durch das Staatsarchiv)
- Protokolle des Stiftungsrats: Archivwürdig
- Protokolle der Geschäftsleitung: Archivwürdig
- Jahresberichte: Archivwürdig
- Qualitätsberichte: Archivwürdig
- Statistiken: Nicht archivwürdig (Vernichten nach Ablauf von 10 Jahren)
- Personaldossiers: Mitglieder des Stiftungsrats: Archivwürdig; Mitglieder der Geschäftsleitung: Archivwürdig; Mitarbeitende, die durch ihre berufliche oder ausserberufliche Tätigkeit einen mindestens kantonalen Bekanntheitsgrad erlangt haben: Archivwürdig; Übrige Personaldossiers: Nicht archivwürdig (Vernichten nach Ablauf der intern definierten Aufbewahrungsfrist, frühestens nach 10 Jahren)
- Rechnungswesen/Buchhaltung: Nicht archivwürdig (Vernichten nach Ablauf von 10 Jahren)
- Fachtagungen: Anbieten (zur differenzierten Bewertung durch das Staatsarchiv)
- Publikationen/Dokumentationsmaterial: Anbieten (zur differenzierten Bewertung durch das Staatsarchiv)
Behandlung:
- Krankengeschichten analog:Archivwürdig
- Patientenkartei: Archivwürdig
- Klinikinformationssystem (KIS) [Krankengeschichten digital]: Archivwürdig
- Patientenadministrations-System OPALE (ERP): Nicht archivwürdig (Vernichten nach Ablauf von 10 Jahren)
Schutzfrist
Unbekannt
Schutzfristkategorie
Sachakten (30 Jahre)
Bewilligung
Staatsarchiv
Zugänglichkeit
Archivmitarbeiter/-innen
Physische Benutzbarkeit
Uneingeschränkt