Verwaltungsgericht
Titel
Verwaltungsgericht
Stufe
Fonds
Existenzzeitraum
1966.07.01-
Abkürzungen
VerwG
Verwandte Körperschaften, Familien, Personen
Verwaltungsrekurskommission; Versicherungsgericht
Geographische Angaben (Adresse)
Webergasse 8, 9001 St.Gallen
Rechtsform
Körperschaft
Rechtsgrundlagen
- Gesetz über die Verwaltungsrechtspflege vom 16. Mai 1965 (sGS 951.1)
- Reglement über Organisation und Geschäftsgang des Verwaltungsgerichtes sowie über die Aufsicht über das Versicherungsgericht und die Verwaltungsrekurskommission vom 12. Dezember 1984 (sGS 941.22)
Als materielle Grundlagen kommen die diversen Spezialgesetzgebungen aus dem Tätigkeitsbereich des Verwaltungsgerichts hinzu (z.B. Steuer- oder Baugesetzgebung).
Behördengeschichte
Erste, allerdings erfolglose Vorstösse zur Schaffung eines Verwaltungsgerichts gehen auf die Anfänge des 20. Jahrhunderts zurück (vgl. KA R.13-7d und AGR B 1-1916-092). Beschluss zur Realisierung aber erst 1965 (AGR B 1-1965-1-28), ungefähr zur gleichen Zeit wie in anderen Kantonen. Aufnahme der Verhandlungen per 1. Juli 1966.
Tätigkeitsbereich (Behördenkompetenzen)
Oberste kantonale Instanz der Staats- und Verwaltungsrechtspflege:
Das Verwaltungsgericht ist vorwiegend als Beschwerdeinstanz gegenüber der Regierung und der Verwaltung tätig. Als Teil der sogenannten dritten Staatsgewalt (Judikative) ist es unabhängig von der Regierung und der Verwaltung. Beim Verwaltungsgericht angefochten werden können Verfügungen und Entscheide der Regierung und der Departemente sowie anderer Verwaltungsbehörden (Rekursstellen Volksschule, Erziehungsrat, Universitätsrat, Rat der Pädagogischen Hochschule St.Gallen, Verwaltungsrat der Gebäudeversicherung, Gesundheitsrat). Im weiteren beurteilt das Verwaltungsgericht auch Beschwerden gegen Entscheide der Verwaltungsrekurskommission, soweit diese nicht im Kindes- und Erwachsenenschutzrecht entscheidet; gegen diese Entscheide steht das Rechtsmittel an das Kantonsgericht offen. Beim Verwaltungsgericht angefochten werden können sodann Entscheide des Versicherungsgerichts, soweit dieses nicht als einziges kantonales Gericht über sozialversicherungsrechtliche Ansprüche des Bundesrechts entscheidet; gegen diese Entscheide steht direkt das Rechtsmittel an das Bundesgericht offen. Angefochten werden können Verfügungen und Entscheide, das heisst Verwaltungsakte, die sich auf öffentliches Recht stützen und die eine Einzelperson in einer konkreten Angelegenheit betreffen und deren Rechte und Verpflichtungen berühren. Das Verwaltungsgericht ist hingegen kein Aufsichtsorgan über die Verwaltung; die allgemeine Regierungs- und Verwaltungstätigkeit kann nicht beim Verwaltungsgericht beanstandet werden.
Einzige Rechtsmittelinstanz im öffentlichen Beschaffungswesen:
Als erste und einzige kantonale Rechtsmittelinstanz ist das Verwaltungsgericht im Bereich des öffentlichen Beschaffungswesens tätig. Verfügungen von Gemeinden, Verwaltungsstellen, der Regierung und anderer Empfänger von Staatsbeiträgen können direkt mit Beschwerde beim Verwaltungsgericht angefochten werden. In diesem Bereich gelten besondere Verfahrensregeln. Insbesondere kommt der Beschwerde – anders als in den übrigen Beschwerdeverfahren – nicht bereits von Gesetzes wegen aufschiebende Wirkung zu.
Unentgeltliche Rechtspflege, vorsorgliche Massnahmen und aufschiebende Wirkung:
Verfügungen des zuständigen Departements und der Verwaltungsrekurskommission über die unentgeltliche Rechtspflege können mit Beschwerde beim Einzelrichter, resp. der Einzelrichterin des Verwaltungsgerichts angefochten werden. Dieser, resp. diese beurteilt ebenfalls Beschwerden gegen vorsorgliche Massnahmen und gegen Anordnungen betreffend aufschiebende Wirkung. Im Beschwerdeverfahren im öffentlichen Beschaffungswesen entscheidet er , resp. sie über die aufschiebende Wirkung, wenn in der Beschwerde ein entsprechender Antrag gestellt wird.
Rechtsverweigerungsbeschwerden:
Das Verwaltungsgericht beurteilt Rechtsverweigerungsbeschwerden gegen die Departemente, die Verwaltungsrekurskommission und das Versicherungsgericht, soweit dieses nicht als einziges kantonales Gericht zuständig ist.
Administrative Strukturen
- 5 Mitglieder (davon 1 Mitglied als Präsidium); Ersatzmitglieder; Gerichtsschreiber oder -schreiberin und Kanzlei
- Gerichtsentscheide im Kollegialverfahren, in Fünfer-, ab 1. Juni 2017 in Dreier-Besetzung; Zwischenverfügungen (Entscheide betreffend aufschiebende Wirkung, unentgeltliche Rechtspflege, vorsorgliche Massnahmen, u.a.) als Präsidialentscheide.
- Beratungen zu gerichtsinternen Verwaltungsgeschäften (Erlass organisatorischer Grundlagen, Wahlen, Tätigkeitsberichte, Aufsichtstätigkeit) erfolgen unter Beizug der Ersatzmitglieder.
- Beim Verwaltungsgericht gehen jährlich 250 bis 300 neue Fälle ein. Ca. 25 % davon betreffen das Bau- und Planungsrecht (Baubewilligungen etc.). In knapp 20 % der Fälle geht es um Aufenthalts- und Niederlassungsbewilligungen von Personen ausländischer Staatsangehörigkeit, in etwa gleich vielen Fällen um Steuern und Gebühren. Häufig sind auch Streitigkeiten im Zusammenhang mit Führerausweisentzügen, Berufsausübungsbewilligungen von Ärzten und Ärztinnen, Schulzuteilungen und Prüfungen. Erfolg hat nicht einmal jede fünfte Beschwerde.
- Rechtsmittelinstanz gegen Entscheide oder Verfügungen des Verwaltungsgerichts ist das Bundesgericht. Im Jahr 2015 hat das Bundesgericht über 56 derartige Beschwerden aus dem Kanton St.Gallen entschieden, wovon 8 vollständig oder teilweise gutgeheissen, 48 abgewiesen oder mittels Nichteintreten erledigt wurden.
Parallelüberlieferungen
- Jährlicher Tätigkeitsbericht z.H. des Kantonsrats (StASG ZA 099), darin Berichterstattung in Wort und Zahl (Statistiken)
- GVP (StASG ZA 087) und St.Galler Steuerentscheide (StASG ZA 403): Publikation ausgewählter Fälle in anonymisierter Form
- Internet: Sämtliche Kollegialentscheide ab 2012 sind in verkürzter und anonymisierter Form publiziert unter http://www.gerichte.sg.ch/home/dienstleistungen/rechtsprechung/verwaltungsgericht.html
- Bundesgericht: bei Beschwerden gegen Entscheide des Verwaltungsgerichts
Historische Kriterien
Im Unterschied zum Versicherungsgericht, von dem Fallakten nur in begründeten Ausnahmefällen übernommen werden, werden beim Verwaltungsgericht auch die Fallakten integral archiviert. Begründung:
a) Funktion des Aktenbildners: Das Verwaltungsgericht befasst sich mit Streitfällen, in denen sich Bürgerinnen oder Bürger gegen den Staat wehren, weil sie sich von diesem ungerecht behandelt fühlen. Gerade in diesen Fällen ist es im Sinn des Rechtsstaats wichtig, dass das Staatsarchiv eine umfassende Transparenz des staatlichen Handelns ermöglicht, indem es über die Spruchbücher hinaus eine langfristige und möglichst vollständige Dokumentation sicherstellt.
b) Stellung des Aktenbildners: Das Verwaltungsgericht ist oberste verwaltungsrechtliche Instanz im Kanton. Die von ihm behandelten Fälle haben bereits einen längeren Instanzenweg durchlaufen, bilden hiermit bereits eine Auswahl bedeutender Fälle.
c) Erhebliche inhaltliche Varianz der Unterlagen: Im Unterschied zum Versicherungsgericht handelt es sich bei den vom Verwaltungsgericht behandelten Fällen nicht oder kaum um standardisierte Massenakten. Das Themenspektrum der behandelten Fälle ist sehr breit, die Art ihrer gerichtlichen Abhandlung individuell unterschiedlich.
Rechtliche Kriterien
Spruchbände und Einschreibekontrollen sind im Hinblick auf die Rechtssicherheit, für die Nachvollziehbarkeit staatlichen Handelns sowie (nachgeordnet) als Grundlagen für die historische Forschung von unverzichtbarem Wert. Zusammen mit der jährlichen Berichterstattung (inkl. den darin enthaltenen Statistiken) im Rahmen der "Amtsberichte der kantonalen Gerichte an den Kantonsrat" (vgl. StASG ZA 099) sowie der Publikation von aus rechtlicher Perspektive besonders bedeutsamen Fällen in den Schriftenreihen "St.Gallische Gerichts- und Verwaltungspraxis" (StASG ZA 087) und "St.Galler Steuerentscheide" (StASG ZA 403) stellen sie eine Kernüberlieferung zur Geschäftstätigkeit des Verwaltungsgerichts sicher.
Vereinbarung
Vereinbarung zwischen dem Staatsarchiv und dem Verwaltungsgericht vom April 2017:
- Spruchbände: archivwürdig (Ablieferung nach Ablauf von 40 Jahren)
- Einschreibkontrollen (Manuale): archivwürdig (Ablieferung nach Ablauf von 15 Jahren)
- Akten: archivwürdig (Ablieferung nach Ablauf von 15 Jahren)
Anmerkung
Für Bücher (Urteilsbände und Einschreibkontrollen): vgl. Abteilung G (siehe Registerkarte Verweise).
Weiterführende Informationen:
- Cavelti, Urs Peter/Vögeli, Thomas: Verwaltungsgerichtsbarkeit im Kanton St.Gallen - dargestellt an den Verfahren vor dem Verwaltungsgericht (Schriftenreihe des Instituts für Rechtswissenschaft und Rechtspraxis IRP-HSG, Band 20), 2., vollständig überarbeitete Auflage, St.Gallen 2003. (Bibliothek Staatsarchiv St.Gallen: SOk 002)
- Hirt, Rebbeca: Die Regelung der Kosten nach st.gallischem Verwaltungsrechtspflegegesetz (St. Galler Schriften zur Rechtswissenschaft ; Bd. 8), Lachen 2004 (Kantonsbibliothek Vadiana: VDISS HSG 2909)
- Kradolfer, Matthias: Justitias "Emancipation" - zur Unabhängigkeit der Justiz in der schweizerischen Eidgenossenschaft 1798-1848 (Europäische Rechts- und Regionalgeschichte, Band 15), Zürich 2011. (Bibliothek Staatsarchiv St.Gallen: SFk 002)
- Cagianut, Francis: 20 Jahre Verwaltungsgericht des Kantons St.Gallen (Schriftenreihe der Staatskanzlei, Der Kanton St.Gallen heute und morgen, Nr. 12), St.Gallen 1986. (Staatsarchiv St.Gallen, ZA 075/12)
- Botschaft zum Gesetz über die Verwaltungsrechtspflege vom 16. Mai 1965, in: Amtsblatt des Kantons St.Gallen 1963, S. 429ff.
Schutzfrist
Unbekannt
Schutzfristkategorie
Personenakten (100 Jahre/10 Jahre)
Bewilligung
Staatsarchiv
Zugänglichkeit
Archivmitarbeiter/-innen
Physische Benutzbarkeit
Uneingeschränkt