Vermessung und Geoinformation
Title
Vermessung und Geoinformation
Stage
Fonds
Period of origin
1807-2015
Existenzzeitraum
2007-
Geographische Angaben (Adresse)
Lämmlisbrunnenstrasse 54, 9001 St.Gallen
Rechtsform
Abteilung
Rechtsgrundlagen
Bund:
- Art. 75a (Vermessung) der Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft (BV, SR 101) vom 18. April 1999
- Bundesgesetz über Geoinformation (Geoinformationsgesetz, abgekürzt GeoIG; SR 510.62) vom 5. Oktober 2007
- Verordnung über Geoinformation (Geoinformationsverordnung, abgekürzt GeoIV, SR 510.620) vom 21. Mai 2008
- Verordnung über den Kataster der öffentlich-rechtlichen Eigentumsbeschränkungen (ÖREB-Katasterverordnung, abgekürzt ÖREBKV, SR 510.622.4) vom 2. September 2009
- Verordnung über die amtliche Vermessung (VAV, SR 211.432.2) vom 18. November 1992
- Technische Verordnung des VBS über die amtliche Vermessung (TVAV, SR 211.432.21) vom 10. Juni 1994
- Verordnung über die geografischen Namen (GeoNV; SR 510.625) vom 21. Mai 2008
Kanton:
- Geoinformationsgesetz (abgekürzt GeoIG-SG; sGS 760.1) vom 20. November 2018
- Geoinformationsverordnung (abgekürzt GeoIV-SG; sGS 760.11) vom 14. August 2019
- Verordnung über die amtliche Vermessung (sGS 760.12) vom 14. Mai 2019
(Amts-)Leitung
Leitung Abteilung Vermessung:
2007-2012: Fredy Widmer
2013- : Patrick Fäh
Leitung Abteilung Geoinformation:
2007- : René L’Eplattenier
Behördengeschichte
Die Geschichte der amtlichen Vermessung in der Schweiz geht zurück auf die Einführung des Schweizerischen Zivilgesetzbuchs im Jahr 1912, mit dem die Schaffung eines eidgenössischen Grundbuchs beschlossen wurde. Damit einher ging noch im selben Jahr die Gründung der Eidgenössischen Vermessungsdirektion. Im Kanton St.Gallen war die Aufsicht über die Vermessung vorerst dem Kulturingenieurbüro übertragen worden; erst 1918 wurde das "Kantonale Vermessungsbüro" mit eigenem Kantonsgeometer geschaffen, aus dem das spätere Vermessungsamt (KVA) hervorging. Die ab 1912 in Angriff genommene Erstvermessung aller sanktgallischen Gemeinden konnte erst im Jahr 2007 definitiv abgeschlossen werden. Zeitlich überlappend dazu erfolgten zwischen 1993 und 2011 die unter dem Titel "AV93" stehenden Erneuerungen, die den schrittweisen Übergang zum digitalen Medium abschlossen, das seither in mehreren kleineren, stark vom Bund her gesteuerten Folgeprojekten den Alltag der amtlichen Vermessung wesentlich prägt.
In organisatorischer Hinsicht war das Vermessungsamt über Jahrzehnte hinweg im Volkswirtschaftsdepartement angesiedelt gewesen, bis die Regierung im Jahr 2006 im Rahmen einer umfassenden Departementsreform (Massnahmenpaket 2004) beschloss, die kantonale Vermessung ins Baudepartement zu transferieren (RRB 2006/331). Der Vorsteher des Baudepartements entschied sich darauf, die Zahl der Ämter in seinem Departement nicht zu erhöhen, sondern das bisherige KVA ins Amt für Raumentwicklung (ARE) zu integrieren. Die Regierung nahm davon im Februar 2007 (RRB 2007/72) Kenntnis. Im Rahmen der erwähnten Departementsreform hatte die Regierung zusätzlich die Überprüfung der kantonalen GIS-Strategie angeordnet (RRB 2006/332). Eine aufgrund dieses Auftrags gebildete Arbeitsgruppe klärte deshalb in der Folge ab, ob die in mehreren Departementen und Amtsstellen verteilten Spezialisten-GlS (Systeme, Funktionen und Mitarbeitende) künftig in einem gemeinsamen GIS-Dienst in der Abteilung Geoinformation zusammengezogen werden sollen. Aus übergeordneter Betrachtung brachte die Kompetenzbündelung erhebliche Vorteile und Synergien. Innerhalb des Baudepartements wechselten deshalb zwei GIS-Spezialisten des Amtes für Umwelt und Energie (AFU) in die neue Abteilung Geoinformation. Um die sinnvolle Konzentration der GIS-Dienstleistungen auch departementsübergreifend umsetzen zu können, mussten die Systeme und Funktionen sowie der entsprechende Mitarbeitende (70 Stellenprozente) des kantonalen Forstamtes (KFA) ebenfalls in den GIS-Dienst in der neuen Abteilung Geoinformation integriert werden (RRB 2007/378). Das Amt für Raumentwicklung nahm die Integration des KVA zum Anlass, die bisherigen Organisationsstrukturen einer umfassenden Überprüfung zu unterziehen. Dabei zeigte sich, dass eine Aufteilung des KVA in die Abteilungen Vermessung (Schwergewicht amtliche Vermessung) und Geoinformation (Schwergewicht Geodatenmanagement und GIS-Dienste) den künftigen Anforderungen von internen und externen Kunden am besten entsprach. Mit Beschluss vom 18. Juni 2007 stimmte der Vorsteher des Baudepartements der damit verbundenen Neugliederung des Amts zu. Mit der Erweiterung des Amts um die beiden neuen Abteilungen Vermessung und Geoinformation war auch eine Änderung seiner bisherigen Bezeichnung angezeigt. Das neu gebildete Amt wurde in "Amt für Raumentwicklung und Geoinformation (AREG)" umbenannt, die Zusammenführung von ARE und KVA im AREG per 1. Januar 2008 vollzogen.
Tätigkeitsbereich (Behördenkompetenzen)
a) Vermessung:
Im Unterschied zur Landesvermessung mit der Triangulation 1. bis 3. Ordnung, dem Landesnivellement und dem Landeskartenwerk, welche durch den Bund realisiert werden, ist die amtliche Vermessung (AV), obschon ebenfalls auf bundesrechtlichen Vorgaben beruhend, den Kantonen und Gemeinden übertragen. Die amtliche Vermessung hält die Grundstücksgrenzen fest und dient zusammen mit dem Grundbuch der Sicherung des Grundeigentums. Der Plan für das Grundbuch, der Übersichtsplan, das digitale Terrainmodell (DTM-AV), die Gebäudeadressen, etc. dienen zudem als wichtige Georeferenzdaten für viele weitere geografische Informationen und Anwendungen. Insgesamt sind die digitalen Daten der amtlichen Vermessung in elf thematische Ebenen gegliedert, die frei miteinander kombinierbar sind. Kantonsintern liegt die Federführung für die AV seit Anfang 2008 beim AREG. Seine Abteilung Vermessung fungiert als kantonale Vermessungsaufsicht, welche die laufenden Arbeiten plant, leitet, überwacht und verifiziert. Sie sorgt für die Koordination der AV mit anderen Vermessungsvorhaben und Geoinformationssystemen. In der bewährten Zusammenarbeit der öffentlichen Hand mit der Privatwirtschaft übernimmt der Kanton unter Leitung des Kantonsgeometers die operative Führung und Aufsicht. Die Ausführung obliegt den politischen Gemeinden, wobei diese, abgesehen von der Stadt St.Gallen, private Vermessungsbüros mit der operativen Durchführung der nötigen Arbeiten beauftragen. Die für die periodischen Nachführungen und Erneuerungen anfallenden Kosten werden von Bund, Kanton und Gemeinden gemeinsam getragen; die Kosten für die laufende, vom Menschen verursachte Nachführung (z.B. bei einem Neubau) gehen zulasten des Verursachers.
Im Einzelnen ist die Abteilung Vermessung zuständig für:
- Aufsicht über die amtliche Vermessung:
• Erarbeitung von rechtlichen Grundlagen und Weisungen
• Bereitstellung übergeordneter Grundlagen wie Fixpunkte, Hoheitsgrenzen, Orthofotos, etc.
• Abschluss von mehrjährigen Programmvereinbarungen mit dem Bund
• Planung und Leitung von AV-Erneuerungsprojekten und Nachführungsarbeiten
• Verifikation und Genehmigung der AV-Projekte
• Beratung und Unterstützung von Gemeinden, Geometern und Privaten in Fragen der Vermessung
• Koordination der AV mit weiteren kantonalen und staatlichen Stellen
- Koordinationsstelle für das eidgenössische Gebäude- und Wohnungsregister (GWR): Seit 2002 führt das Bundesamt für Statistik (BFS) in enger Zusammenarbeit mit den Kantonen und Gemeinden ein GWR. Dieses soll künftig sämtliche Gebäude (mit oder ohne Wohnnutzung) umfassen. Über eine eindeutige ID-Nummer und Standortangabe (Geodaten) sollen Alter, Grösse, Energieversorgung u.a. erfasst werden, um so statistische und planerische Auswertungen zu ermöglichen. Die Vermessungsaufsicht koordiniert innerhalb des Kantons die entsprechende Datenerfassung und Datenlieferung durch die kommunalen Erhebungsstellen ans BFS.
- Aufbau und Führung ÖREB-Kataster: Seit dem Jahr 2016 ist der Kanton St.Gallen bzw. ist das AREG gemäss Vorgaben des Bundes und nach Vorbild anderer Pilot-Kantone, welche dieses Vorhaben schon abgeschlossen haben, mit dem Aufbau eines sog. ÖREB-Katasters (Kataster öffentlich-rechtlicher Eigentumsbeschränkungen) befasst. Nach Abschluss (ab 2022) übernimmt das AREG die Funktion als katasterverantwortliche Stelle; der Kanton erhält dafür Bundesbeiträge. Der ÖREB-Kataster "soll zuverlässig Auskunft geben über nicht im Grundbuch angemerkte, wesentliche Nutzungsbeschränkungen, die auf Grund eines von der zuständigen Instanz erlassenen Entscheids zustande gekommen sind und räumliche Auswirkungen auf das Grundeigentum haben" und dadurch Informationen zu wichtigen öffentlich-rechtlichen Eigentumsbeschränkungen in einfacher Form öffentlich zugänglich machen. Gemäss Beschluss des Bundesrats sollen 17 Geobasisdatensätze in den Kataster aufgenommen werden, wovon für folgende sieben Datensätze die Kantone und Gemeinden zuständig sind: Nutzungsplanung, Kataster der belasteten Standorte, Grundwasserschutzzonen, Grundwasserschutzareale, Lärmempfindlichkeitsstufen, Waldgrenzen in Bauzonen und Waldabstandslinien. Die Kantone können weitere Geobasisdaten bezeichnen, die zum Bestand des Katasters gehören sollen; im Kanton St.Gallen sind dies (u.a.) Daten aus den kommunalen Schutzverordnungen, aus kantonalen und kommunalen Planungszonen sowie dem Gemeindestrassenplan. Der ÖREB-Kataster, in seinem Kern ein Zusammenzug mehrerer, bereits bestehender Geodatensätze, zeigt die Art der jeweiligen Eigentumsbeschränkung an und verweist auf den zugrundeliegenden rechtsgültigen Entscheid.
- Digitaler Leitungskataster: Voraussichtlich wird das AREG künftig mit der Führung des digitalen Leitungskatasters im Sinn von Art. 29 ff. des kantonalen Geoinformationsgesetzes betraut sein, einer Verknüpfung von ausgewählten Daten (geografische Lage, transportiertes Medium, Eigentümer) aus den bereits weitgehend bestehenden Werkleitungskatastern der einzelnen Medien (Wasser, Abwasser, Gas, Elektrizität, Kommunikation, Fernwärme). Der Leitungskataster ist gedacht als Koordinationsinstrument für Orientierungs- und Planungsaufgaben, das von erheblicher praktischer Bedeutung v.a. für die Bauwirtschaft, aber auch für private Nutzer und Behörden sein wird, jedoch keinerlei rechtliche Relevanz besitzt.
- Namenkommission: Als geografische Namen der amtlichen Vermessung gelten gemäss Art. 3 Bst. b GeoNV (eidgenössische Verordnung über die geografischen Namen vom 21. Mai 2008 [GeoNV; SR 510.625]) Namen der topografischen Objekte, die in den Informationsebenen Nomenklatur (Flurnamen, Ortsnamen und Geländenamen), Bodenbedeckung und Einzelobjekte (z.B. Gewässernamen, Namen von Höhlen, Burgen, Ruinen usw.) verwendet werden. Für ihre Schreibweise ist die kantonale Namenkommission zuständig. Gemäss Art. 46 der kantonalen Verordnung über die amtliche Vermessung besteht die Namenkommission aus drei Mitgliedern: dem Kantonsgeometer (oder einem geeigneten Stellvertreter aus dem AREG) sowie zwei Fachpersonen aus den Bereichen Sprachwissenschaft und Historik. Die kantonale Vermessungsaufsicht im AREG führt das Sekretariat.
b) Geoinformation:
Der Begriff "Geoinformationen" steht für "raumbezogene Informationen, die durch die Verknüpfung von Geodaten gewonnen werden können" , also beispielsweise die Zugehörigkeit eines Grundstücks zu einer Zone, der Abstand eines Gebäudes zu einer Grenze oder der Verlauf einer Leitung durch ein Grundstück. Unter Geodaten versteht man raumbezogene Daten in digitaler oder analoger Form, "die mit einem bestimmten Zeitbezug die Ausdehnung und Eigenschaften bestimmter Räume und Objekte beschreiben, insbesondere deren Lage, Beschaffenheit, Nutzung und Rechtsverhältnisse." Dabei wird unterschieden zwischen Geobasisdaten und Georeferenzdaten (Geobasisdaten, die für weitere Geodaten als geometrische Grundlage dienen). Zu Letzteren gehören insbesondere die Daten der amtlichen Vermessung. Geodaten werden auf allen politischen Ebenen, also beim Bund, bei Kantonen und Gemeinden, erfasst und verwaltet, wobei der grösste Teil wohl auf Stufe Kanton und Gemeinden anfällt. Nach Rechtsgrundlage und Zuständigkeit können verschiedene Klassen von Geobasisdaten unterschieden werden (Klassen I bis VI sowie UEK und UeG). Grundsatz: Die Daten der Klasse I fallen in die archivische Zuständigkeit des Bundesarchivs, jene der Klassen II, IV und UeK in die Zuständigkeit der Staatsarchive und jene der Klassen III, V, VI und UeG in die Zuständigkeit der Gemeindearchive. Der Kanton führt auf Verordnungsstufe (Anhang 1 bis 4 der GeoIV-SG) einen Katalog der Geobasisdaten, der pro Geodatensatz (u.a.) die inhaltlich zuständige Fachstelle benennt und auf die jeweilige Rechtsgrundlage verweist.
Die Abteilung Geoinformation des AREG ist das Kompetenzzentrum für Geoinformation des Kantons. Sie leitet den Aufbau der Geodateninfrastruktur der kantonalen Verwaltung, ist zuständig für das Geodatenmanagement und sorgt für den Betrieb der kantonalen Geodatenbank und der für alle Fachämter festgelegten Geodienste innerhalb der kantonalen Verwaltung. Weiter ist sie in Fragen der Geodateninfrastruktur (GDI) die Ansprechstelle des Kantons gegenüber Bundesstellen, Nachbarkantonen und interkantonalen Organisationen und beschafft die notwendigen Georeferenzdaten des Bundes, des Kantons und der Nachbarkantone. Sie vertreibt Geobasisdaten, berät und unterstützt die Departemente und Dienststellen im GI-Bereich und informiert regelmässig die Nutzerinnen und Nutzer der kantonalen Verwaltung. Die Abteilung Geoinformation koordiniert alle Geodatenprojekte des Kantons St.Gallen und stellt die Originaldaten bei Bedarf der kantonalen Verwaltung und externen Stellen zur Verfügung. Grundsatz: Die Verantwortung des AREG ist primär technischer, konzeptioneller und koordinierender Art. Die inhaltliche und allenfalls rechtliche Verantwortung für Geodaten dagegen liegt bei der für den jeweiligen Aufgaben- bzw. Themenbereich zuständigen Stelle, also dem jeweiligen Fachamt (oder Dienststelle) in der Verwaltung.
Administrative Strukturen
Seit der im Jahr 2007 beschlossenen, per 1. Januar 2008 vollzogenen Anpassung der amtsinternen Organisationsstrukturen bilden die Aufgabenbereiche Vermessung und Geoinformation zwei der insgesamt sechs Abteilungen des AREG.
Parallelüberlieferungen
Die Abteilungen Vermessung und Geoinformation pflegen eine vielfältige Zusammenarbeit mit Partnern aller politischen Ebenen sowie mit Privaten. Im Sinn einer Auswahl seien genannt:
- Bund: Die Abteilung Vermessung pflegt eine intensive Zusammenarbeit mit der Eidgenössischen Vermessungsdirektion, die Grundlagen bereitstellt (z.B. Landesvermessung mit Triangulation 1. bis 3. Ordnung (historisch), automatisches GNSS Netz Schweiz (AGNES) sowie Lagefixpunkte der Landesvermessung (aktuell), Landesnivellement, Digitales Höhenmodell DTM-AV), langfristige und jährliche Vereinbarungen mit den Kantonen abschliesst, Anerkennungen verfügt (Neuvermessungen, Erneuerungen) und die Oberaufsicht über das Vermessungswesen in den Kantonen wahrnimmt (vgl. die Pflicht zur jährlichen Berichterstattung). Regelmässige Kontakte bestehen zudem zum Bundesamt für Statistik (Gebäude- und Wohnungsregister). Die Abteilung Geoinformation pflegt für den Bezug von Geodaten des Bundes hauptsächlich die Zusammenarbeit mit swisstopo und dem Bundesamt für Statistik. Ferner stellt sie die vom Bund geforderten Geobasisdaten der Klassen II und III über die von der KKGEO aufgebaute Aggregationsinfrastruktur für den Bund bereit.
- Interkantonale Zusammenarbeit: Ein regelmässiger fachlicher Austausch erfolgt im Rahmen der Konferenz der kantonalen Katasterdienste (CadastreSuisse) und der Konferenz der Kantonalen Geoinformations¬stellen (KKGEO). Hinzu kommen bilaterale Kontakte insbesondere mit den zuständigen Fachstellen in den Nachbarkantonen und im Fürstentum Liechtenstein. Die Archivierung der bei den genannten Zusammenkünften entstehenden Unterlagen ist bislang nicht geregelt.
- Kantonsrat/Regierung: Auf der Ebene von Parlament und Regierung wird das Thema der Vermessung und Geoinformation nur bei relativ seltenen Gelegenheiten greifbar. Am ehesten ist mit einer Parallelüberlieferung auf dieser Stufe zu rechnen, wenn es um den Erlass neuer rechtlicher Grundlagen oder um Projektvorhaben von ausserordentlicher Tragweite (z.B. Einführung AV93 oder kantonale Geoinformations-Strategie) geht. Von der Regierung erteilt wird ausserdem die Ermächtigung zum Abschluss der mehrjährigen Programmvereinbarung mit dem Bund im Bereich der amtlichen Vermessung.
- BD-Generalsekretariat: Zur Frage der Parallelüberlieferung auf der Ebene des Departementssekretariats liegen dem Staatsarchiv für die Zeit ab der organisatorischen Eingliederung der Aufgabenbereiche Vermessung und Geoinformation ins Baudepartement noch keine Erfahrungen vor, sie dürfte aber im Hinblick auf die Bewertung auf Stufe Amt (bzw. Abteilung) kaum von Bedeutung sein.
- Kantonale Fachämter/Fachstellen: Eine kontinuierliche Zusammenarbeit pflegt das AREG vorab mit jenen kantonalen Ämtern und Dienststellen, mit denen im Bereich Geoinformation eine Leistungsvereinbarung existiert. Eine klare Aufgabenteilung sieht dabei vor, dass das AREG die nötige technische Infrastruktur bereitstellt, während die inhaltliche Verantwortung für die Daten bei den im jeweiligen Sachbereich zuständigen Fachämtern oder Fachstellen liegt, welche die Daten erheben, nachführen und über die technische Geodateninfrastruktur des Kantons publizieren.
- Politische Gemeinden: Die politischen Gemeinden sind zuständig für die Durchführung der amtlichen Vermessung (Art. 22 GeoIG-SG). Ergo fallen zahlreiche Unterlagen aus dieser Tätigkeit auf kommunaler Stufe an. Dies gilt namentlich für die Vermessungsdaten (Geodaten), die von den Gemeinden bzw. den zuständigen Nachführungsgeometern laufend nachgeführt werden. Der komplette Datenbestand pro Gemeinde wird am Ende jedes Quartals im Format INTERLIS der Abteilung Vermessung des AREG übermittelt und dort laufend gesichert (eine Datei pro Gemeinde). Es handelt sich dabei um Textdaten, aus denen als Produkte der Basisplan (Übersichtsplan) sowie der Plan für das Grundbuch (Grundbuchplan) von der Abteilung Geoinformation erzeugt werden können. Mit GIS-Anwendungen oder Viewer lassen sich damit ausserdem aktuelle und vergangene Stände (auch themenweise) miteinander visuell vergleichen, was z.B. in der Verifikation mit Vorteil verwendet wird. Die Abteilung Geoinformation berechnet aus dem aktuellen und vergangenen Stand zusätzlich die durch die Nachführungsstellen erfolgten Mutationen (Inkrement) und informiert situativ die zuständigen Stellen, falls ein Bedarf für eine geometrische Anpassung angezeigt ist. Bei der Vermessung sind die Nachführungsstellen verpflichtet, jede Änderung an den Liegenschaften automatisch prüfen zu lassen. Erfolgreich geprüfte Datensätze erhalten u.a. das AREG und der Geoportal-Betreiber. Ebenfalls in die administrative und somit auch archivische Zuständigkeit der Gemeinden fallen Mutationsurkunden (Messurkunden), Mutationspläne und Mutationstabellen (Darstellungen der Veränderungen, die durch die amtliche Vermessung aufgezeichnet werden), Handrisse (Zusammenstellung aller Messzahlen auf einem Plan), Stationsblätter (Feldprotokolle einer Vermessung) oder Feldblätter/Feldbücher (Arbeitspläne vor Ort, mit Darstellung des bestehenden und des neuen Zustands). Auflagepläne und Grundstückbeschreibungen (Liegenschaftsbeschriebe) hingegen werden, obschon ebenfalls im Auftrag der Gemeinden erstellt, nach bisheriger Praxis der Abteilung Vermessung dem AREG übergeben, von wo sie dann mit zeitlicher Verzögerung dem Staatsarchiv angeboten werden.
- Private Geometerbüros und Dienststelle Vermessung der Stadt St.Gallen: Die von den Nachführungsstellen der amtlichen Vermessung erhobenen Daten werden nach Abschluss der Arbeiten ihrer Auftraggeberschaft abgeliefert (Gemeinde bzw. Kanton).
- Firma Geoinfo (Herisau): Diese private Firma sorgt im Auftragsverhältnis für die Präsentation der Geodaten über das kantonale Geoportal, allerdings ohne jeglichen Transfer von Hoheits- oder Nutzungsrechten.
- Internet: Einen guten Überblick über Aufgaben, Organisation und zentrale Grundlagen im Bereich der Vermessung und Geoinformation gibt die kantonale Informationsplattform für Vermessung und Geoinformation www.geoinformation.sg.ch.
Bewertung der organisatorischen Gesamtfunktion
Vermessung und Geoinformation sind wichtige Eckpfeiler eines modernen Staatswesens. Die amtliche Vermessung schützt über ihre Hauptaufgabe, das Erfassen und Sichern der Grundstückgrenzen, zusammen mit dem Grundbuch das Grundeigentum und ist damit eine zentrale Voraussetzung für die Rechtssicherheit im Staat. Gleichzeitig trägt sie zu einer prosperierenden Volkswirtschaft bei, indem sie räumliche Basisdaten erhebt, die als verlässliche und unabdingbare Grundlage für eine Vielzahl von Anwendungen, insbesondere im Planungs- und Baubereich, zur Verfügung stehen. Die grosse Bedeutung von Geoinformationen umschreibt die Regierung in der Botschaft zum kantonalen Geoinformationsgesetz mit folgenden Worten: sie "bilden die Grundlage für Planungen, Massnahmen und Entscheidungen aller Art in Politik, Verwaltung, Wirtschaft, Wissenschaft und im Privatbereich. Verfahrensabläufe der direkten Demokratie (beispielsweise bei Zonenplanungen oder Strassenprojekten) wären ohne Geodaten und die ihnen zugrundeliegenden Vermessungsdaten heute undenkbar, ebenso wie die Erfüllung der staatlichen Aufgaben etwa im Ver- oder Entsorgungsbereich oder im Liegenschaftshandel. Geoinformationen stellen demnach heute weltweit ein Wirtschaftsgut von grosser Bedeutung dar. Zwischen 60 und 80 Prozent aller Entscheidungen im politischen, wirtschaftlichen und privaten Leben haben einen räumlichen Bezug. Deshalb greift im Alltag praktisch jedermann regelmässig auf Geoinformationen zu – oft ohne es zu realisieren."
Historische Kriterien
Was die historische Forschung betrifft, so stehen unter den von der Abteilung Vermessung und Geoinformation erzeugten Unterlagen klar die Auflagepläne (Grundbuchpläne) an erster Stelle. Zusammen mit den zugehörigen Übersichtsplänen und den Unterlagen der Namenkommission sind sie für die Häuser- und Siedlungsforschung und für die Lokal- und Regionalgeschichte von unschätzbarem Wert. Ebenfalls historisch interessant sind die Unterlagen zu Hoheitsgrenzen und Grenzregulierungen. Im Vergleich dazu ist die historische Relevanz der Liegenschaftsbeschriebe als deutlich geringer einzustufen; ihre Aufbewahrung nach Ablauf der Phase der nachhaltigen Verfügbarkeit lässt sich kaum rechtfertigen. Unter dem Aspekt des Evidenzwerts von Interesse sind die Unterlagen zur Triangulation und zur Fixpunktvermessung.
Rechtliche Kriterien
Rechtliche oder administrative Aufbewahrungspflichten und -fristen:
Die geltenden rechtlichen Grundlagen zum Vermessungswesen enthalten nur wenige explizite Vorgaben zur Archivierung. Die kantonale Verordnung über die amtliche Vermessung legt einzig fest, dass die von der Gemeinde und der Vermessungsaufsicht unterzeichneten Auflagepläne im Staatsarchiv aufzubewahren sind (Art. 25). Die technische Verordnung zur amtlichen Vermessung (TVAV) des Bundes fordert in Art. 88 die Kantone auf, die Archivierung und Historisierung bestimmter Unterlagentypen gemäss den Art. 65-67 (Grundstückbeschreibungen, Mutationsurkunden, Perimeterpläne für Gebiete mit dauernden Bodenverschiebungen) zu regeln. Der Kanton St.Gallen ist dieser Pflicht mit dem vom kantonalen Vermessungsamt erlassenen Kreisschreiben Nr. 04/3 vom 28. Mai 2004 nachgekommen, das bis heute gültig ist und differenzierte Aussagen zur Aufbewahrung und Archivierung von Vermessungsunterlagen (insbesondere von solchen in analoger Form) macht. Dieses postuliert namentlich die Archivierung von Auflageplänen und Liegenschaftsbeschrieben im Staatsarchiv, jedenfalls solange diese in Papierform vorliegen.
Kontrovers beurteilt wird die Verbindlichkeit der überaus detaillierten "Aufbewahrungs- und Archivierungsplanung (AAP) von Daten und Unterlagen der amtlichen Vermessung", welche CadastreSuisse (Konferenz der kantonalen Katasterdienste) zusammen mit der KOST (Koordinationsstelle für die dauerhafte Archivierung elektronischer Unterlagen) am 23. Juni 2014 verabschiedet hat. Die Mehrheit der im Folgeprojekt der KOST vertretenen Archive war jedenfalls der Auffassung, dass es sich bei der AAP, abgesehen von den verbindlichen Vorgaben aus der TVAV, vorab um eine Diskussionsgrundlage und Empfehlung handle, welche in der Praxis durch die verantwortlichen Archive in engem Austausch mit Vermessungs- und GIS-Fachleuten zu überprüfen sei. Ähnlich dürfte wohl die Beurteilung der Aufbewahrungs- und Archivierungsplanung (AAP) für Geodaten ausfallen, die aktuell bei der KKGEO (Konferenz der Kantonalen Geodaten-Koordinationsstellen und GIS-Fachstellen) in Erarbeitung steht und anschliessend bei den Kantonen in Vernehmlassung gehen soll.
Bedeutung im Hinblick auf Rechtssicherheit und Interessenwahrung (für den Staat oder Private) sowie für die Nachvollziehbarkeit staatlichen Handelns:
Über die Aufbewahrung von Jahresberichten, von rechtlichen, strategischen und organisatorischen Grundlagen, von Programmvereinbarungen, Verifikationsberichten und Genehmigungsunterlagen sowie von Protokollen, Richtlinien, Weisungen und dergleichen kann die staatliche Tätigkeit im Bereich der Vermessung und Geoinformation in ihren Grundzügen nachvollziehbar gehalten werden. Darüber hinaus leistet die amtliche Vermessung, wie bereits weiter oben festgestellt, einen wichtigen Beitrag zur Rechtssicherheit im Staat, indem sie die genauen Grenzverläufe der Grundstücke festhält und somit zusammen mit dem Grundbuch das Grundeigentum sichert. Beim Bemühen, diesem Anspruch gerecht zu werden, sind im Umgang mit den Vermessungs- und Katasterdaten folgende drei Ebenen zu unterscheiden :
- Historisierung: Festhalten von Art, Umfang und Zeitpunkt einer Änderung von Daten mit dem Zweck, jeden Rechtszustand mit hinreichender Sicherheit und vertretbarem Aufwand innert kürzester Frist rekonstruieren zu können.
- Nachhaltige Verfügbarkeit: Aufbewahrung eines Datenbestands, so dass dessen Bestand und Qualität erhalten bleiben und die Bereitstellung des Datenbestands für die aktive Nutzung gewährleistet ist. Dabei sollen nicht nur die jeweils aktuellen Datenbestände, sondern auch definierte ältere Zeitstände (im Sinn einer Zeitreihe) verfügbar sein.
- Archivierung: sichere und dauerhafte Aufbewahrung von zuvor als archivwürdig bewerteten Unterlagen in einem Archiv.
Grundsatz: Die Sicherstellung der Historisierung und der nachhaltigen Verfügbarkeit ist gemäss dem eidgenössischen GeoIG Sache der für das Erheben, Nachführen und Verwalten der Geobasisdaten zuständigen Stelle , wobei die Zuständigkeit für die nachhaltige Verfügbarkeit und Überführung ins Archiv im Kanton St.Gallen zentral an das Kompetenzzentrum GDI (Abteilung Geoinformation im AREG) delegiert worden ist. Demgegenüber haben sich die Archive naturgemäss um die Archivierung zu kümmern, wobei hierfür jene Inhalte im Vordergrund stehen, bei denen jenseits von rechtlich-administrativer Relevanz eine wissenschaftliche Bedeutung erkannt wird.
Vereinbarung
Vereinbarung zwischen dem Staatsarchiv St.Gallen und dem Amt für Raumentwicklung und Geoinformation (AREG) vom September 2019:
a) Vermessung:
Allgemeines:
- Weisungen, Richtlinien, Merkblätter, Empfehlungen: Archivieren
- Kreisschreiben: Archivieren
- Statistische Auswertungen: Anbieten (zur differenzierten Bewertung)
- Jahresberichte AV: Archivieren
Grundlagen:
- Hoheitsgrenzen/Grenzregulierungen: Gemeinden: Archivieren; Nachbarkantone: Archivieren
- Triangulation 4. Ordnung: Bücher: Archivieren; Punkte-Karten: Archivieren
- Fixpunkte: Nachführungen: Archivieren; Umklassierungen: Archivieren; Anmerkungen: Archivieren
- Kantonale Namenkommission: Sitzungsprotokolle: Archivieren; Nomenklaturpläne: Archivieren; Akten (Materialien): Archivieren
- Orthofotos: Aufnahmen 2004/2009: Archivieren; Aufnahmen ab 2013: Vernichten (nach Ablauf der internen Gebrauchsdauer)
- Projektdossiers: Anbieten (zur differenzierten Bewertung)
Aufsicht über die Vermessungstätigkeit der Gemeinden:
- Verifikationsberichte: Akten: Archivieren; Register/Übersicht: Archivieren
- Nachführungsgeometer: Verträge: Vernichten (nach Ablauf der Gültigkeitsdauer); Jährliche Nachführungsberichte: Archivieren
- Auflagepläne: Archivieren
- Basispläne/Übersichtspläne (analog): Archivieren
- Grundstückbeschreibungen (Liegenschaftsbeschriebe): Vernichten (nach Ablauf der internen Gebrauchsdauer)
Weitere Kataster:
- ÖREB-Kataster: Jahresberichte ÖREB: Archivieren; Geodaten: Vernichten (nach Ablauf der internen Gebrauchsdauer); Vereinbarungen: Vernichten (nach Ablauf der internen Gebrauchsdauer); Rechtsvorschriften: Vernichten (nach Ablauf der internen Gebrauchsdauer)
- Digitaler Leitungskataster: Geodaten: Vernichten (nach Ablauf der internen Gebrauchsdauer)
Zusammenarbeit:
- Österreichisch-schweizerische Grenzkommission, Tagungsberichte: Vernichten
- Liechtensteinisch-schweizerische Grenzkommission, Protokolle: Vernichten
- Konferenz der kantonalen Vermessungsämter/CadastreSuisse, Protokolle: Archivieren
b) Geoinformation:
- Rechtliche, strategische und organisatorische Grundlagen Anbieten (zur differenzierten Bewertung)
- Richtlinien: Archivieren
- Projektdossiers: Anbieten (zur differenzierten Bewertung)
- Fachämter: Leistungsvereinbarungen: Archivieren; Koordinationssitzungen: Vernichten
- Geodaten, Dokumentationen: Archivieren
- Verträge mit Dritten: Vernichten (nach Ablauf der internen Gebrauchsdauer)
- Konferenz der Kantonalen Geoinformationsstellen (KKGEO), Protokolle: Archivieren
Anmerkung
Kantonale Namenkommission bis 2007: siehe VD-Zugeordnete Behörden, Kommissionen und Experten bzw. KPE 2
Term of protection
Zeitraumende
Protection period
30 years
Schutzfristkategorie
Sachakten (30 Jahre)
End of protection period
12/31/2045
Authorisation
Staatsarchiv
Accessibility
Archivmitarbeiter/-innen
Physical usability
Uneingeschränkt