Stiftung Opferhilfe der Kantone St.Gallen, Appenzell Innerrhoden und Appenzell Ausserrhoden
Titel
Stiftung Opferhilfe der Kantone St.Gallen, Appenzell Innerrhoden und Appenzell Ausserrhoden
Stufe
Fonds
Entstehungszeitraum
1992-2018
Existenzzeitraum
1993-
Synonyme
Stiftung für Opfer strafbarer Handlungen
Verwandte Körperschaften, Familien, Personen
Kinderschutzzentrum St.Gallen (In Via)
Geographische Angaben (Adresse)
Teufenerstr. 11, 9001 St.Gallen
Rechtsform
Stiftung
Rechtsgrundlagen
Aktuelle rechtliche Grundlagen (Stand 2008):
- Bundesgesetz vom 4. Oktober 1991 über die Hilfe an Opfer von Straftaten (Opferhilfegesetz, OHG; SR 312.5); per 1. Januar 2009 tritt eine Revision des Gesetzes in Kraft: Bundesgesetz vom 23. März 2007 über die Hilfe an Opfer von Straftaten (Opferhilfegesetz, OHG; AS 2008, 1607)
- Verordnung vom 18. November 1992 über die Hilfe an Opfer von Straftaten (Opferhilfeverordnung, OHV; SR 312.51); im Gefolge der Revision des OHG tritt per 1. Januar 2009 auch eine Revision der bisherigen Verordnung in Kraft: Verordnung vom 27. Februar 2008 über die Hilfe an Opfer von Straftaten (Opferhilfeverordnung, OHV; AS 2008, 1627).
- Bundesgesetz vom 19. März 1965 über Ergänzungsleistungen zur Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenversicherung (ELG; SR 831.30)
- Verordnung vom 15. Januar 1971 über die Ergänzungsleistungen zur Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenversicherung (ELV; SR 831.301)
- Kantonale Strafprozessverordnung vom 13. Juni 2000, Art. 3 bis 5 (sGS 962.11)
- Stiftungsurkunde der Stiftung Opferhilfe in diversen Fassungen, u.a. vom 11. November 1992 (Vollzugsbeginn OHG) und vom 11. August/15. September 2005 (per Anfang 2008 gültige Version)
(Amts-)Leitung
Urs Edelmann/Brigitte Huber (Geschäftsführung)
Thomas Wüst (Präsident Stiftungsrat)
Behördengeschichte
Am 1. Januar 1993 trat das Bundesgesetz über die Hilfe an Opfern von Straftaten (Opferhilfegesetz, OHG) in Kraft. Dieses verpflichtete die Kantone zur Schaffung von fachlich selbständigen öffentlichen oder privaten Beratungsstellen, wobei die Möglichkeit offengelassen wurde, dass mehrere Kantone zusammen eine gemeinsame Beratungsstelle einrichten. Darauf basierend eröffnete die Stiftung Opferhilfe ebenfalls per Anfang des Jahres 1993 im Auftrag der Kantone St.Gallen, Appenzell Innerrhoden und Appenzell Ausserrhoden die Beratungsstelle Opferhilfe mit damals 2 Mitarbeitenden. Anfänglich umfasste der Auftrag der Stiftung auch den Bereich gewaltbetroffener Kinder und Jugendlicher. Dieser wurde dann aber im Jahr 2002 im Rahmen eines Leistungsvertrags an das Kinderschutzzentrum St. Gallen (In Via) delegiert.
Die Stiftung Opferhilfe ist nicht Teil der Staatsverwaltung, erfüllt jedoch mit staatlichen Geldern öffentliche Aufgaben, u.a. für den Kanton St.Gallen, der deshalb auch eine Vertretung in den Stiftungsrat entsendet. Diese wurde anfänglich vom Justiz- und Polizeidepartement (JPD) gestellt, seit 1998 vom Departement des Innern (DI). Inzwischen beschäftigt die Stiftung Opferhilfe 9 Mitabeiterde (Stand 2008).
Tätigkeitsbereich (Behördenkompetenzen)
Die Stiftung Opferhilfe richtet sich an Frauen und Männer, die selbst von physischer, psychischer oder sexueller Gewalt betroffen worden sind, sowie an deren Angehörige, Bezugspersonen und Institutionen. Ihr Leistungsangebot besteht vereinfacht ausgedrückt aus folgenden zwei Bereichen:
- Beratungsangebote vielfältiger Art (z.B. in medizinischen, psychologischen, sozialen oder rechtlichen Belangen)
- finanzielle Hilfe gemäss Opferhilfegesetz.
Die Unterstützung durch die Beratungsstellen kann unabhängig davon beansprucht werden, ob Strafanzeige erstattet wurde und wie lange die Tat zurück liegt. Die Beratungen sind unentgeltlich. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Stiftung unterstehen der Schweigepflicht.
Administrative Strukturen
Das Tagesgeschäft der Stiftung obliegt einer zweiköpfigen Geschäftsführung, der zum einen die Beratungsstelle "Gewaltbetroffene Frauen", zum anderen die Beratungsstelle "Opferhilfe" unterstehen. Letztere gliedert sich in die beiden Bereiche "Finanzielle Hilfe" und "Allgemeine Beratung". Der Bereich "Finanzielle Hilfe" wird beaufsichtigt von einer Finanzkommission, die Geschäftsstelle als Ganzes von einer Betriebskommission; beide Kommissionen bestehen aus Fachpersonen der verschiedensten Bereiche (Soziale Dienste, Psychiatrie/Psychotherapie, Recht, Polizei, Strafverfolgung u.a.). Die Gesamtverantwortung für die ganze Stiftung nimmt ein max. 5-köpfiger Stiftungsrat wahr, in dem die drei beteiligten Kantone mit je 1 Sitz vertreten sind.
Parallelüberlieferungen
Die zentralen Weichenstellungen zur Stiftung als Ganzes finden, sofern sie den Kanton St.Gallen betreffen und vor die Regierung gelangen, regelmässig ihren Niederschlag in den Verhandlungsprotokollen der Regierung, die im Staatsarchiv vollständig überliefert sind (vgl. bspw. zur Entstehung der Stifung die beiden grundlegenden RRB 1992/1137 und 1992/1851).
Amtsdruckschriften:
- Jahresberichte (gedruckt): Diese enthalten üblicherweise die Tätigkeitsberichte des Präsidenten des Stiftungsrats, der Betriebskommission sowie der verschiedenen Geschäftsbereiche (Beratungsstelle Opferhilfe, Beratungsstelle Gewaltbetroffene Frauen und Finanzielle Hilfe), dazu einen ausführlichen statistischen Teil, Jahresrechnung und Revisionsbericht sowie die wichtigsten Personalia (Mitglieder der diversen Stiftungsorgane).
- Broschüren/Faltblätter der Stiftung Opferhilfe
Statistiken:
- Statistische Angaben in den Jahresberichten (darin enthalten die grundlegenden jährlichen Statistiken z.B. im Bereich der Beratungstätigkeit: Fälle nach Deliktart und Kanton; Opfer nach Geschlecht und Alter). Bis anhin werden von der Stiftung selber keine weiteren statistischen Werte erhoben, auch nicht für den internen Gebrauch.
- Bundesamt für Statistik (BFS): Opferhilfestatistik Schweiz (erhoben seit 2000, basierend auf den Grundlagen der Vollzugsstellen in den Kantonen)
Internet:
- www.opferhilfe-sg.ch (Stand Mai 2008: Inhalte analog zur gedruckten Broschüre)
- www.opferhilfe.zh.ch (Stand Mai 2008: sehr ausführliche Informationen zu Grundlagen, Aufgaben, Praxis der Zürcher Beratungsstelle, mit Hinweisen von Bedeutung auch für andere Kantone, z.B. zum Thema Archivierung und Datenschutz)
- www.opferhilfe-schweiz.ch (Stand Mai 2008: enthält v.a. eine Adressliste aller Beratungsstellen in der Schweiz, rechtliche Grundlagen, Links zu verwandten Organisationen)
Bewertung der organisatorischen Gesamtfunktion
Die Stiftung Opferhilfe erfüllt im Sinne des Opferhilfegesetzes öffentliche Aufgaben für die drei Trägerkantone, welche auch über weite Strecken für die Finanzierung der Stiftung besorgt sind. Es besteht daher bezüglich ihrer Unterlagen eine Anbietepflicht gegenüber dem zuständigen Staatsarchiv. In Absprache mit den Staatsarchiven der beiden appenzellischen Halbkantone
übernimmt das Staatsarchiv St.Gallen diese Rolle für die gesamte Unterlagenproduktion der Stiftung.
Die Stiftung Opferhilfe ist aber nicht Bestandteil der staatlichen Verwaltung im engeren Sinn. Sie steht nur am Rand der Gesamttätigkeit des Kantons und nimmt deshalb auch im Rahmen der kantonalen Überlieferungsbildung - unabhängig von ihren wertvollen Leistungen für die Betroffenen - insgesamt nur eine Nebenrolle ein.
Historische Kriterien
Es stehen aus heutiger Sicht die folgenden wissenschaftlichen Erkenntnisinteressen im Vordergrund:
- Statistische Auswertungen: Untersuchung der Gesamtzahl der von der Opferhilfe bearbeiteten Fälle pro Jahr sowie ihrer anteilmässigen Zusammensetzung (z.B. nach Deliktart, nach Geschlecht und Alter der Opfer, nach Art der Hilfe) im zeitlichen Wandel.
- Analyse von Gewalttaten aus der Opferperspektive: Zum Thema "Gewalt" steht der Forschung heute eine Vielzahl und Vielfalt von (nicht zuletzt auch archivischen) Quellen aus den Bereichen Polizei und Justiz zur Verfügung, bei denen aber in der Regel der Fokus einseitig auf dem Täter bzw. der Täterin liegt. Im Unterschied dazu reflektieren die Falldossiers der Stifung Opferhilfe - wenn auch durch den "Filter" der Beratungsstelle hindurch - die Opferperspektive und ermöglichen somit die Überprüfung und Ergänzung der aus den erstgenannten Quellen gewonnenen Einsichten.
- Institutionengeschichte: Untersuchung von Tätigkeitsschwerpunkten, Arbeitsmethoden und Organisation der Stiftung (von besonderem Interesse in der Aufbauphase der Stiftung!)
Rechtliche Kriterien
- Fallakten: Gemäss Auskunft des Rechtsdienst des kantonalen Departements des Innern (Nico Cavelti) vom 19. Juni 2008 richtet sich die Mindestaufbewahrungsdauer bei diesem zentralen Unterlagentyp nach der "Verjährungsfrist der möglichen Straftaten. Solange die möglichen Straftaten nicht verjährt sind, müssen die Dossiers aufbewahrt werden. Bei den zur Diskussion stehenden Straftaten handelt es sich zumindest teilweise um solche mit einer Strafdrohung von mehr als drei Jahren. Bei diesen Taten endet gestützt auf Art. 97 Abs. 1 Bst. b des Schweizerischen Strafgesetzbuches (SR 311.1; abgekürzt StGB) die Verjährung der Strafverfolgung nach 15 Jahren. Aus diesem Grund hält auch Art. 68ter Abs. 1 des kantonalen Strafprozessgesetzes (sGS 962.1) fest, dass die Staatsanwaltschaft ihre Akten in der Regel nach 15 Jahren nicht mehr benötigt. Bei sexuellen Handlungen mit Kindern (Art. 187 StGB) und unmündigen Abhängigen (Art. 188 StGB) sowie bei Straftaten nach den Artikeln 111, 113, 122, 182, 189-191 und 195 StGB, die sich gegen ein Kind unter 16 Jahren richten, dauert die Verfolgungsverjährung in jedem Fall mindestens bis zum vollendeten 25. Lebensjahr des Opfers (Art. 97 Abs. 2 StGB). Die Stiftung Opferhilfe ist daher gehalten, ihre Dossiers während mindestens 15 Jahren aufzubewahren. Hat das betroffene Kind nach Ablauf von 15 Jahren das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet, verlängert sich die Aufbewahrungsfrist entsprechend." In der aktuellen politischen Diskussion zeichnet sich allerdings eine Verlängerung dieser Frist bei Straftaten an Kindern ab. Gemäss einem als Gegenvorschlag zu einer Volksinitiative entstandenen Beschluss, der im Laufe des ersten Halbjahrs 2008 von National- und Ständerat verabschiedet worden ist, soll die 15-jährige Verjährungsfrist in derartigen Fällen erst ab der Volljährigkeit des Opfers, also mit 18 Jahren, zu laufen beginnen. Demnach sollen sich gewaltbetroffene Kinder bis zum Alter von 33 Jahren zur Anzeige entschliessen können; die Aufbewahrung diesbezüglicher Dossiers müsste bei Inkrafttreten dieses Beschlusses somit bis zum 33. (statt nur bis zum 25.) Lebensjahr gewährleistet sein.
- Rechnungs- und Buchhaltungsunterlagen: 10 Jahre (in sachgemässer Anwendung von Art. 590, 730c und 747 sowie Art. 957 und 962 des Schweizerischen Obligationenrechts [SR 220; abgekürzt OR] und der eidgenössischen Geschäftsbücherverordnung [SR 221.431]).
- Personaldossiers: 10 Jahre (in Anlehnung an die Verjährungsfristen nach Art. 24 der Besoldungsverordnung, sGS 143.2, in Verbindung mit Art. 129 bis 142 OR)
Vereinbarung
Vereinbarung zwischen dem Staatsarchiv St.Gallen und der Stiftung Opferhilfe der Kantone St.Gallen, Appenzell Innerrhoden und Appenzell Ausserrhoden betr. die Aufbewahrung bzw. Archivierung der Unterlagen vom 1. Januar 2009 (Auszüge):
- Jahresberichte: Dauernde Aufbewahrung (jährliche Ablieferung in je 2 Exemplaren)
- Beratungsdossiers: Jedes 100. Dossier pro Jahrgang : Dauernde Aufbewahrung (Kennzeichen "Z"); Aussergewöhnliche Einzelfälle : Dauernde Aufbewahrung (Kennzeichen "A"); Alle übrigen Dossiers: Kassation nach Ablauf von 15 Jahren seit Abschluss des Dossiers; bei Straftaten an Kindern frühestens nach vollendetem 33. Lebensjahr des Kindes
- Dossiers betr. finanzielle Hilfe: Jedes 100. Dossier pro Jahrgang : Dauernde Aufbewahrung (Kennzeichen "Z"); Aussergewöhnliche Einzelfälle : Dauernde Aufbewahrung (Kennzeichen "A"); Alle übrigen Dossiers: Kassation nach Ablauf von 15 Jahren seit Abschluss des Dossiers; bei Straftaten an Kindern frühestens nach vollendetem 33. Lebensjahr des Kindes
- Unterlagen rechtlicher, strategischer und organisatorischer Art: Angebotspflicht gegenüber dem Staatsarchiv (zur differenzierten Beurteilung)
- Protokolle von Stiftungsrat und Betriebskommission: Dauernde Aufbewahrung
- Protokolle der Finanzkommission sowie von Geschäftsführungs- und Abteilungssitzungen: Kassation (Aufbewahrung nach eigenem Ermessen)
- Rechnungs- und Buchhaltungsunterlagen: Kassation (nach Ablauf von 10 Jahren)
- Personalunterlagen (Personaldossiers zu den Mitarbeitenden der Stiftung: Kassation (nach Ablauf von 10 Jahren seit dem Datum des Austritts)
Schutzfrist
Zeitraumende
Schutzfristdauer
30 Jahre
Schutzfristkategorie
Sachakten (30 Jahre)
Ende der Schutzfrist
12/31/2048
Bewilligung
Staatsarchiv
Zugänglichkeit
Archivmitarbeiter/-innen
Physische Benutzbarkeit
Uneingeschränkt