Kinder Dörfli Lütisburg
Title
Kinder Dörfli Lütisburg
Stage
Fonds
Period of origin
1876-2016
Existenzzeitraum
1877-
Synonyme
Katholische Waisenanstalt St.Iddaheim, Kinderdörfli St.Iddaheim
Geographische Angaben (Adresse)
Altgonzenbach, 9601 Lütisburg Station
Rechtsform
Verein
Rechtsgrundlagen
Statuten des Vereines für Erziehung katholischer Armen- und Waisenkinder im Toggenburg vom 28. Dezember 1876; Statuten des St.Idda-Vereins für Erziehung katholischer Armen- und Waisenkinder des Toggenburg in Lütisburg vom 8. Februar 1918; Statuten des St.Idda-Vereins für Erziehung katholischer Waisen-, arme, gefährdete und schwachbegabte Kinder des Toggenburg vom 1. Februar 1928; Statuten des St.Idda-Vereins für Erziehung katholischer Waisen-, armer, gefährdeter, schwachbegabter und schwererziehbarer Kinder in Lütisburg vom 3. Februar 1937; Statuten des Vereins "Kinderdörfli St.Iddaheim", 1973; Statuten Kinder Dörfli St. Iddaheim 9601 Lütisburg, 1993; Statuten Kinder Dörfli St. Iddaheim, 9601 Lütisburg Station, 2002; Statuten Kinder Dörfli St. Iddaheim, 9601 Lütisburg Station, 2005
(Amts-)Leitung
Dekan Jakob Bonifaz Klaus (1877-1892)
Pfarrer Johann Jakob Bischof (1892-1927)
Prälat Johannes Frei (1927-1971)
Kaplan Albert Breu (1971-1987)
Pius Oberholzer (1987-2007)
Otmar Dörflinger (2007-2014)
Urs Gasser (2015-)
Behördengeschichte
Die zur Unterbringung und Betreuung von katholischen "Armen- und Waisenkindern" gegründete katholische Waisenanstalt St.Iddaheim wurde am 14. Oktober 1877 eröffnet. Zwei Monate später wurde auch die der Waisenanstalt angeschlossene Schule eröffnet. Kauf und Einrichtung der Anstalt wurden durch die Einlagen der Vereinsmitglieder ("Aktionäre" genannt) und durch Spenden ermöglicht. Bereits ein Jahr nach der Eröffnung lebten 70 Kinder im Heim. Der Betrieb des Heims wurde durch wohltätige Spenden und durch die Kostgelder der sogenannten Versorger der Kinder finanziert. Die Betriebsleitung des Heims wurde Menzinger Schwestern (Orden der Lehrschwestern vom Hl. Kreuz, Menzingen) übertragen. Sie kümmerten sich um den Haushalt, um die Erziehung der Kinder und unterrichteten in der Heimschule. Seit 1878 war ein Landwirtschaftsbetrieb der Waisenanstalt angeschlossen.1899 wurde zur Entlastung der Anstaltsschule eine Klasse für schwachbegabte Schülerinnen und Schüler probeweise eingerichtet. Diese Klasse wurde schliesslich beibehalten, da sie im Kanton St.Gallen einem Bedürfnis entsprach. 1904 wurde neben dem alten Gebäude der Waisenanstalt ein neues Schulgebäude errichtet. Eine Hauskapelle wurde im gleichen Gebäude eingerichtet. In den folgenden Jahrzehnten wurden zahlreiche weitere Gebäude erstellt und ältere Bauten laufend renoviert. Immer wieder war die Linderung der Raumnot ein wichtiges Ziel des Ausbaus. 1932 wurden schliesslich eine Schulwerkstätte und ein Lehrlingsheim eröffnet. Nach Abschluss der obligatorischen Schule konnten Knaben im Kinderdörfli eine Schuster- oder Schneiderlehre absolvieren. Später konnten zudem Anlehren in der Gärtnerei oder im Landwirtschaftsbetrieb absolviert werden. Die gleichaltrigen Mädchen mussten hingegen ausserhalb des Heims einen Ausbildungsplatz suchen. In den 1930er Jahren wurde das Gruppen- oder Familiensystem eingeführt, d.h. die Kinder und Jugendlichen lebten in separaten Räumen in kleineren Gruppen, die je von einer Menzinger Schwester geführt wurden. In den Jahren von 1877 bis 1963 waren zwischen 65 und 218 Kinder in der Anstalt bzw. im Heim untergebracht. In den 1970er Jahren wurde die Anzahl der Kinder bewusst reduziert. Das Einzugsgebiet des Heims reichte über die Grenzen des Kantons St.Gallen hinaus, obwohl Kinder aus dem Toggenburg und dem Kanton St.Gallen bei der Aufnahme zuerst berücksichtigt wurden. Auch die heiminternen Schulklassen, v. a. die Sonderklassen, wurden im Lauf der Jahrzehnte erweitert. In den 1950er Jahren wurde der Betrieb der Werkstätten eingestellt, da keine über 16 Jahre alten Knaben mehr im Kinderdörfli untergebracht wurden. Wegen fehlenden Nachwuchses nahm die Anzahl der im Heim tätigen Menzinger Schwestern im Lauf der 1970er Jahre ab. In den 1980er Jahren und Anfang der 1990er Jahre wurden sie allmählich durch weltliche Mitarbeitende (hauptsächlich Lehrer und Lehrerinnen mit einer heilpädagogischen Zusatzausbildung, Erzieher und Erzieherinnen, später Sozialpädagogen und –pädagoginnen) ersetzt. 1992 verliessen die letzten Menzinger Schwestern das Kinderdörfli. Der 1987 von der Verwaltungskommission als Direktor eingesetzte Pius Oberholzer war der erste Leiter des Heims, der kein Geistlicher war. 1990 wurde in Züberwangen eine externe Wohngruppe für Lernende aus dem Kinderdörfli eröffnet. 2016 wurde dieses Angebot abgeschafft.1985 wurde die Finanzierung des Heims neu geregelt. Der Aufenthalt von Kindern und Jugendlichen im Heim wurde nun nicht nur durch die Eltern, die Schulgemeinden und einweisenden Stellen finanziert, sondern auch durch Subventionen des Bundesamtes für Sozialversicherungen (BSV) und des Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartements (EJPD). Das Kinderdörfli musste aber bestimmten, vorgegebenen Kriterien entsprechen. 2008 zog sich der Bund aus der Mitfinanzierung der Sonderschulen zurück (Neuer Finanzausgleich). Die Kantone übernahmen weitgehend die Verantwortung für den Sonderschulbereich.
Tätigkeitsbereich (Behördenkompetenzen)
Laut Art. 3 der Statuten von 1876 war die Hauptaufgabe des Vereins "[...] arme und Waisenkinder in guten, katholischen Familien oder Anstalten zu versorgen und zu guten Christen und Bürgern heranzuziehen." In den Statuten von 1918 (Art. 3) steht, dass der Zweck des Vereins in der "[...] Aufnahme und Erziehung von Kindern vom 3. bis erfüllten 15. Altersjahr in der dem Verein zugehörigen Anstalt St.Iddaheim in Lütisburg [...]" bestehe. Der gleiche Zweck wird in den Statuten von 1928 genannt. Die Definition des Vereinszwecks wird in den Statuten von 1937 geringfügig verändert. Er besteht nun in Aufnahme und Erziehung von Kindern vom 3. bis erfüllten 20. Altersjahr. In den Statuten von 1973 wird als Zweck die Erziehung und Schulung von "milieugeschädigten und verhaltensgestörten Kindern" genannt. Gemäss den Statuten von 1993 war der Zweck des Vereins die "[...]Schulung, Bildung, Erziehung und Betreuung von verhaltensauffälligen, milieugeschädigten und lernbehinderten Kindern und Jugendlichen [...]" 2002 wurde ein Nachtrag zu den Statuten von 1993 beschlossen. Der erklärte Zweck des Vereins blieb gleich wie 1993. 2005 wurde der Text der Statuten gegenüber der Version von 2002 nicht geändert,aber erneut bestätigt.
Administrative Strukturen
Gemäss den Statuten von 1876 wurde jede Person, die jährlich ein "beliebiges Opfer", d. h. Betrag, an den Trägerverein leistete, als Mitglied betrachtet. Wer eine Aktie im Wert von Fr. 100.- kaufte, wurde Aktionär / Aktionärin des Vereins. Mitglieder des Vereins waren laut den Statuten von 1918, 1928 und 1937 der amtierende Bischof von St.Gallen, die katholischen Pfarrer der Toggenburger Bezirke, jeder Katholik und jede Katholikin, die zugunsten des Vereins einen Mindestbeitrag von Fr. 100.- einzahlten oder sich "erheblich" um den Verein verdient gemacht hatten.
Die aus einer im Lauf der Jahre wechselnden Anzahl Mitgliedern (5-13) bestehende Verwaltungskommission leitete und leitet den Verein. Diese Kommission hatte die Aufsicht über die Führung des Heims. Sie wählte ausserdem den Direktor des Heims, der von Amtes wegen Mitglied der Verwaltungskommission war, und andere leitende Personen. Der 2002 beschlossene Nachtrag zu den Statuten legt fest, dass der Direktor mit beratender Stimme in der Verwaltungskommission Einsitz nimmt. Präsident und Mitglieder der Verwaltungskommission wurden von der Mitgliederversammlung gewählt. Der jeweilige Bischof von St.Gallen musste der Wahl des Präsidenten zustimmen. Die Mitgliederversammlung wählte ausserdem eine Rechnungskommission mit 3 Mitgliedern auf eine Amtsdauer von 3 Jahren. Später wurde eine für die Prüfung der Jahresrechnung zuständige Kontrollstelle durch die Mitgliederversammlung gewählt.
Parallelüberlieferungen
Im Staatsarchiv St.Gallen werden u.a. folgende Unterlagen aufbewahrt, die sich auf das Kinder Dörfli Lütisburg und seine Vorgänger beziehen:
Kantonale Behörden:
-Regierungsrat/Regierung: Verhandlungsprotokolle: Mehrere Beschlüsse in Bezug auf Staatsbeiträge an Bau und Umbau von Gebäuden des Heims (Signaturen der Serie: ARR B2)
Kantonale Verwaltung:
-Kantonsarchiv, Abteilung Wohltätigkeit, Spitäler, Anstalten: St.Iddaheim: Bauakten und Pläne zum Erweiterungsbau, 1917-1931 (Signatur: KA R.120-7p-1)
-Kantonsarchiv, Abteilung Erziehung, Kunst, Wissenschaft: Erziehungsrat, Studienkommission, Erziehungskommission: Protokolle: Protokolle der Erziehungskommission: Lehrbewilligungen für Menzinger Schwestern (Signaturen: KA R.130 B 1 EK.1914-081, KA R.130 B 1 EK.1914-487, KA R.130 B 1 EK.1919-333); Wahlen von Arbeitslehrerinnen (Signaturen: KA R.130 B 1 EK.1919-333, KA R.130 B 1 EK.1923-164)
-Baudepartement:
Lütisburg: Revers, Jaucheleitung, Erziehungsanstalt St.Iddaheim (Signatur: A 015/1194.060,1939)
-Bücherarchiv: Erziehungsrat, Erziehungskommission, Studienkommission: Protokolle: Erziehungsrat: Eintrag betr. Leistungen eines Lehrers (Signatur: A 020/773 ER.1941-121); Mitteilungen: Kinderdorf St.Iddaheim - Lütisburg; Jubiläum; Ansprache Erziehungsrat R. Gnägi (Signatur: A 020/773 ER.1977-184.05)
-Erziehungsdepartement (heute Bildungsdepartement), Sekretariat: Akten Departementssekretariat: Unterlagen zu verschiedenen Fragen betreffend Betrieb und Personal des Heims (Dossier A 022/387, Dossiers mit Signaturen der Serie A 071, Dossier A 118/026.20, )
Privatarchive:
-Privatarchiv Franz Vettiger: Briefe von Pfarrer Jakob Bonifaz Klaus (1823-1892), Begründer der Waisenanstalt St.Iddaheim, an Franz Vettiger (Signatur:W 074/2.2.080-1)
-Zeitungsdokumentation Breitenmoser-Schütz, Artikel zu Julian Holenstein, Bezirksammann und Kantonsrat sowie Präsident des Trägervereins des Kinderdörfli (Signatur: W 280/1.3-0596), und zu Pius Oberholzer, erster nicht geistlicher Direktor des Kinderdörfli (Signatur: W 280/1.3-0886)
-Sammlung Foto Gross: einzelne Bilder des Kinderdörfli (Bestandessignatur: W 283)
Archivische Sammlungen:
-Amtsdruckschriften: Geschäftsberichte des Kinder Dörfli seit 2008 (Signatur: ZA 623). Die älteren Jahresberichte sind in der Forschungsbibliothek des Staatsarchivs zu finden (Signatur: P 7292).
-Bilder: Flugaufnahmen aus der Bildersammlung (Signaturen des Teilbestands ZMA 18: Ansichtskartensammlung Staatsarchiv St.Gallen: Regionen und Ortschaften)
-Bilder: Druckgraphik aus der Bildersammlung (Signaturen der Serie ZMH 41)
In folgenden anderen öffentlichen Archiven sind Unterlagen mit Bezug zum Kinder Dörfli Lütisburg zu finden:
Schweizerisches Bundesarchiv:
-Eidgenössische Justizabteilung: Teilregistratur Straf- und Massnahmenvollzug: Beiträge an Heime und Anstalten: Baudossiers: Kinderdörfli St.Iddaheim, Lütisburg (verschiedene Dossiers), 1946-1958, 1957-1960 und 1963-1974
-Bundesamt für Justiz: Teilregistratur Straf- und Massnahmenvollzug: Beitragswesen: Beiträge an Heime und Anstalten: Kinderdörfli St. Iddaheim, Lütisburg (verschiedene Dossiers), 1977-1984
-Bundesamt für Justiz: Zentrale Ablage: Sektion Straf- und Massnahmenvollzug: Kinderdörfli St. Iddaheim, 9601 Lütisburg. Allgemeine Korrespondenz, 1985-1990 (Signatur: E4114A#1992/121#622*)
Staatsarchiv Zürich:
Protokoll des Regierungsrates des Kantons Zürich vom 1. Januar bis 31. Dezember 1963: Kinderdörfli St. Iddaheim, Lütisburg (SG) (04.07.1963 und 29.08.1963) (Signatur: MM 3.108 RRB 1963/2580, MM 3.108 RRB 1963/3363)
Bewertung der organisatorischen Gesamtfunktion
Siehe Eintrag auf Ebene Fonds "Sonderschulen".
Historische Kriterien
Siehe Eintrag auf Ebene Fonds "Sonderschulen".
Rechtliche Kriterien
Siehe Eintrag auf Ebene Fonds "Sonderschulen".
Vereinbarung
Archivierungskonzept für Sonderschulen im Kanton St.Gallen, Vereinbarung zwischen dem Staatsarchiv St.Gallen und dem Amt für Volksschulen, Abteilung Sonderpädagogik vom 22. September 2015
Anmerkung
Sekundärliteratur:
Bertsch, A.: Erziehungsanstalt St.Iddaheim 1877-1927, Bütschwil o.J.
Bertsch, K. Albert: St.Iddaheim, 50 Jahre Erziehungs- und Waisenanstalt 1877-1927, Lütisburg (im Eigenverlag), 1927
75 Jahre St.Iddaheim 1877-1952. Die Entwicklung eines Waisenhauses zum modernen Erziehungsheim. o.O., o. J.
Breu, Albert: 100 Jahre St.Iddaheim Lütisburg, Bazenheid, 1977
Huwyler, Urs; Kempter, Hans; Oberholzer, Pius: Kinder Dörfli Lütisburg 1877-2002. Ein Rückblick zum 125-jährigen Bestehen. Bazenheid, 2002
Sterren, Lukas; Oberholzer, Pius: Von der katholischen Waisenanstalt St.Iddaheim zum Kinderdörfli Lütisburg, in: Toggenburger Jahrbuch 2008, Wattwil 2007, S. 53-73
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